Die Zellen in den türkischen Gefängnissen sind vollkommen überbelegt und den Gefangenen werden nicht einmal die Mittel für die einfachsten hygienischen Vorkehrungen gegen das Coronavirus zur Verfügung gestellt. Die Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Züleyha Gülüm, hat sich gegenüber ANF zu dieser Situation geäußert. Gülüm gibt an, dass Warnungen wegen der Pandemie von den Gefängnisbehörden nicht ernsthaft behandelt werden und die Gefahr einer Vielzahl von Todesfällen besteht. Sie fordert die Freilassung der Gefangenen und kritisiert die Vollzugsgesetzreform, aus der politische Gefangene ausgeschlossen sind, als „Feindrecht“. Aufgrund dieser Regelung seien insbesondere die schwer kranken Gefangenen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, würden aber dennoch nicht freigelassen. Mittlerweile habe sich das Virus in allen türkischen Gefängnissen verbreitet.
Reale Zahlen werden nicht vorgelegt
Die Abgeordnete weist darauf hin, dass die Behauptung des Justizministeriums, die Pandemie sei nur im offenen Vollzug aufgetreten, nicht der Wahrheit entspricht und ihr viele Fälle aus Haftanstalten vorliegen. Diese Fälle würden aber verschwiegen, um dem neuen Vollzugsgesetz Legitimität zu verleihen. Das Justizministerium war gezwungen, etwa 120 Corona-Fälle unter den Gefangenen bekanntzugeben, diese Zahl sei aber weit untertrieben. Insbesondere die Situation im Gefängnis von Silivri sei kritisch. Dort wurden nach offiziellen Angaben 42 Gefangene positiv getestet. Gülüm weist darauf hin, dass die Situation in anderen Gefängnissen nicht besser sei: „Es besteht ein großes Infektionsrisiko in den Gefängnissen. Denn dort besteht keine Möglichkeit, Abstand zu halten. Wir sprechen hier von 30 bis 40 Gefangenen in einer Zelle. Wenn eine Person krank wird, dann ist die ganze Zelle infiziert.“
Sofortige Maßnahmen notwendig
Auch das Immunsystem von Personen im Gefängnis ist viel labiler als von freien Menschen, so Gülüm. Fast alle Gefangenen hätten aufgrund der schlechten Haftbedingungen über die Jahre chronische Krankheiten entwickelt. Die HDP-Abgeordnete erinnert auch an schwer kranke Gefangene wie Sabri Kaya. Trotz kritischem Zustand wird er nicht entlassen. Sie verurteilt die Verzögerung einer Entscheidung durch das Verfassungsgericht.
Gülüm fordert sofortige Maßnahmen, das Verfassungsgericht müsse die Ungerechtigkeit durch das Vollzugsgesetz beenden und für Gleichheit in den Gefängnissen sorgen. Wenn dies nicht geschehe, sei der Staat für alle möglichen Todesfälle verantwortlich.