Grundrechte der Kurd*innen dürfen keine Verhandlungsmasse sein

Das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Deutschland (NAV-DEM) veröffentlicht eine Erklärung zu dem am Samstag stattfindenden Treffen zwischen dem Außenminister der Türkei Çavuşoğlu und seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel.

Wie wir berichteten, wird am kommenden Samstag der Außenminister der Türkei Çavuşoğlu mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel in dessen Wohnort Goslar zusammentreffen. Zuvor hatte Gabriel seine Amtskollegen am 4. November des vergangenen Jahres in Antalya besucht.

Zu dem jetzt stattfindenden Zusammentreffen der beiden Außenminister veröffentlicht das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Deutschland (NAV-DEM) heute eine Erklärung, in der sie die deutsche Bundesregierung auffordert, ihr diplomatisches Verhältnis zur Türkei nicht auf dem Rücken der Kurdinnen und Kurden zu glätten.

Die Ko-Vorsitzende von NAV-DEM, Ayten Kaplan, betont: „Nach jeder Zusammenkunft zwischen der deutschen und der türkischen Regierung verschärft die Bundesregierung ihre repressive Politik gegenüber der in Deutschland lebenden kurdischen Bevölkerung. Eine Aushöhlung unserer Grundrechte ist die Folge. So kann und darf es nicht weitergehen.“

NAV-DEM kritisiert in der Erklärung auch deutsche Medien wie die Süddeutsche Zeitung. Diese hatte am 22.12.2017 einen Kommentar des Journalisten Mike Szymanski veröffentlicht, in dem er nach der Freilassung von Peter Steudtner und Meşale Tolu aus den Gefängnissen der Türkei dem deutschen Außenminister Gabriel nahelegt Erdoğan entgegenzukommen, indem man beispielsweise den „Kampf gegen Strukturen der kurdischen Terrororganisation PKK in Deutschland ernster als bisher führen“ könne.

Auch dazu nimmt Frau Kaplan als Ko-Vorsitzende in der Erklärung Stellung: „Das ist genau die Logik, mit welcher die Türkei Außenpolitik betreibt. Die Bundesregierung täte gut daran, die Etablierung von demokratischen Grundrechten in der Türkei einzufordern. Doch stattdessen wird hier nahegelegt, die antidemokratischen Maßnahmen des Erdoğan-Regimes auch nach Deutschland zu übertragen. Geht die deutsche Bundesregierung darauf ein, macht sie mitschuldig an einem Krieg, den die Türkei unter dem Deckmantel des ‚Kampfes gegen den Terror‘ gegen die gesamte kurdische Bevölkerung führt. Denn ein solcher Schritt kommt einer Zustimmung der menschenverachtenden Politik Erdoğans gleich. So eine Forderung in einer Tageszeitung wie der Süddeutschen aufzustellen, ist grob fahrlässig und unverantwortungsvoll”.

Die vollständige Erklärung von NAV-DEM heißt wie folgt:

Grundrechte der kurdischen Bevölkerung sind keine diplomatische Verhandlungsmasse!

NAV-DEM mahnt vor dem Besuch des türkischen Außenministers Çavuşoğlu in Goslar die Bundesregierung dazu, nicht weiter die türkische Repressionspolitik nach Deutschland zu übertragen

Anlässlich des für Samstag geplanten Besuchs des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu in Deutschland, mahnt das Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM) die Bundesregierung dazu, ihr diplomatisches Verhältnis zur Türkei nicht weiter auf dem Rücken der Kurdinnen und Kurden zu glätten. „Nach jeder Zusammenkunft zwischen der deutschen und der türkischen Regierung verschärft die Bundesregierung ihre repressive Politik gegenüber der in Deutschland lebenden kurdischen Bevölkerung. Eine Aushöhlung unserer Grundrechte ist die Folge. So kann und darf es nicht weitergehen“, erklärt Ayten Kaplan, Co-Vorsitzende von NAV-DEM, des größten kurdischen Dachverbands in Deutschland.

Nachdem der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel Anfang November des vergangenen Jahres seinen türkischen Amtskollegen in Antalya besucht hatte, erfolgt nun am Samstag der Gegenbesuch von Çavuşoğlu in Gabriels Heimatstadt Goslar. Die Außenminister beider Staaten sind sichtlich darum bemüht, das politische Verhältnis der beiden Länder wieder zu verbessern.

Deutschland darf sich nicht auf die archaischen diplomatischen Spielregeln der Türkei einlassen

Die NAV-DEM Co-Vorsitzende Kaplan mahnt vor diesem Hintergrund mit folgenden Worten die Bundesregierung dazu, die Beziehungen zur Türkei nicht erneut auf dem Rücken der Kurdinnen und Kurden zu glätten:

„Auch wenn das vergangene Jahr gerne als Krisenjahr in den deutsch-türkischen Beziehungen betrachtet wird, so war es doch zugleich auch das Jahr, in welchem die repressiven Maßnahmen der Bundesregierung gegenüber hier lebenden Kurdinnen und Kurden so sehr zugenommen haben wie lange nicht mehr. Die Bundesregierung hat große Mühen aufgebracht, um trotz vermeintlicher Krisenzeiten im Kampf gegen die Rechte der Kurden als treuer Bündnispartner der Türkei aufzutreten. Traurig ist, dass sich die deutsche Regierung hierbei auf die Spielregeln Ankaras eingelassen hat. Die AKP hat im vergangenen Jahr zahlreiche deutsche Staatsbürger als Geiseln festgenommen, um anschließend für ihre Freilassung Forderungen an die Bundesregierung zu stellen. Wenn es bei diesen Forderungen um die Bekämpfung der Kurden ging, so scheint es uns, hatte die Bundesregierung keine großen Skrupel die Wünsche Ankaras zu erfüllen. So wurden entsprechend den Forderungen aus der Türkei im vergangenen Jahr in Deutschland kurdische Symbole verboten, Großveranstaltungen mit schikanösen Auflagen belegt und ganze Demonstrationen verboten. Die ständige Einberufung des deutschen Botschafters in Ankara scheint letztlich aus Sicht der AKP gewirkt zu haben. Somit lässt sich Deutschland auf die archaischen diplomatischen Spielregeln der Türkei ein und untergräbt dadurch die eigenen Grundwerte. Wir rufen die Bundesregierung deshalb dringend dazu auf, die Grundrechte von Kurdinnen und Kurden nicht weiter als Verhandlungsmasse zur Ausbesserung der diplomatischen Beziehungen zur Türkei zu missbrauchen!”

Auf Erdoğan zuzugehen, bedeutet seine Kriegspolitik zu unterstützen!

Kritik äußerte der kurdische Dachverband NAV-DEM auch an einem Beitrag des Journalisten Mike Szymanski, welcher unter dem Titel „Jetzt ist für Gabriel die Zeit gekommen, auf Erdoğan zuzugehen” am 22. Dezember in der Süddeutschen Zeitung erschien. In seinem Kommentar hatte der Autor im Gegenzug zur Freilassung von Peter Steudtner und Meşale Tolu Außenminister Gabriel aufgefordert, nun mehr Erdoğan entgegenzukommen, indem man beispielsweise den „Kampf gegen Strukturen der kurdischen Terrororganisation PKK in Deutschland ernster als bisher führen“ könne. „Das ist genau die Logik, mit welcher die Türkei Außenpolitik betreibt. Die Bundesregierung täte gut daran, die Etablierung von demokratischen Grundrechten in der Türkei einzufordern. Doch stattdessen wird hier nahegelegt, die antidemokratischen Maßnahmen des Erdoğan-Regimes auch nach Deutschland zu übertragen. Geht die deutsche Bundesregierung darauf ein, macht sie mitschuldig an einem Krieg, den die Türkei unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den Terror“ gegen die gesamte kurdische Bevölkerung führt. Denn ein solcher Schritt kommt einer Zustimmung der menschenverachtenden Politik Erdoğans gleich. So eine Forderung in einer Tageszeitung wie der Süddeutschen aufzustellen, ist grob fahrlässig und unverantwortungsvoll”, so die NAV-DEM Co-Vorsitzende Kaplan.