Die in Deutschland seit Mai 2014 organisierte Gefangenengewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) ist die derzeit einzige Gewerkschaft, die sich für Inhaftierte und aus der Haft entlassene Menschen einsetzt. Außerhalb der Gefängnisse haben sich in einigen Städten Unterstützergruppen organisiert. ANF sprach mit der Soligruppe Nürnberg der GG/BO über ihre Organisierung und ihre Ziele.
Ihr unterstützt die Gefangenengewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) von außen. Könnt ihr euch und die GG/BO kurz vorstellen?
Die Gefangenengewerkschaft / Bundesweite Organisation, kurz GG/BO, ist derzeit die einzige Gewerkschaft in Deutschland, die sich für die Verbesserung der Lebensumstände von Inhaftierten und Strafentlassenen einsetzt. Sie ist sowohl in den einzelnen Abteilungen der Gefängnisse als auch bundesweit organisiert und versucht für alle Gefangene konkrete Verbesserungen, wie beispielsweise bessere Bezahlung und Versorgung zu erkämpfen. Sie ist in den meisten Gefängnissen, aber auch außerhalb in Form von Unterstützer*innengruppen, Soligruppen genannt, organisiert. Eine dieser Gruppen sind wir, die Soligruppe Nürnberg. Weitere Gruppen gibt es in Berlin, Freiburg, Jena, Köln, Leipzig und Rosenheim.
Seit wann gibt es die GG/BO?
Die GG/BO selbst gibt es seit Mai 2014. Sie wurde damals in der JVA Tegel von einigen Inhaftierten gegründet, die keine Lust mehr hatten, für Niedriglöhne zu schuften und dabei keinerlei Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzubezahlen. Seit ihrer Gründung hat sie sich in vielen weiteren JVAs organisiert und nach und nach sind Soligruppen entstanden.
Woraus besteht eure Arbeit? Was sind eure Ziele? Wie organisiert ihr euch?
Unsere Arbeit umfasst hauptsächlich zwei Aufgabenbereiche. Zum einen in der direkten Unterstützung der Gefangenen, wie Briefe schreiben, Besuche organisieren und einen Austausch zwischen Anwälten und Gefangenen zu garantieren, um rechtliche Standards, die von den meisten JVAs unterlaufen werden, durchzusetzen.
Der andere Aufgabenbereich ist die Durchsetzung politischer Forderungen. Durch die zahlreichen Verstöße der Gefängnisse konkret und dem fehlenden politischen Willen seit Jahrzehnten, Inhaftierte als gleichwertige Rechtssubjekte mit gleichen Rechten wie den restlichen Menschen in dieser Gesellschaft anzusehen, ist die Liste unserer Forderungen sehr lang. So gibt es bislang zwar eine Arbeitspflicht für alle Gefangenen im Regelvollzug, aber keinen Anspruch auf Mindestlohn, da die Arbeit, die von Inhaftierten geleistet wird, nicht als Arbeit anerkannt und entlohnt wird, sondern als sogenannte „sozialtherapeutische Maßnahme“, also gewissermaßen als Freizeitbeschäftigung gesehen wird.
Der Lohn für die getane Arbeit liegt meist bei ein bis zwei Euro. Ebenso fehlen Arbeitsschutzmaßnahmen, Beiträge in die Rentenversicherung und die Krankenversicherung überhaupt. So wundert es nicht, dass Menschen, die längere Zeit in Haft saßen, häufig in der Altersarmut enden werden.
Unsere Ziele sind somit der Mindestlohn, die Einbeziehung in die Sozialversicherungssysteme und die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern.
Wie erfahren Gefangene, dass es die Gewerkschaft gibt?
Wie Gefangene von uns erfahren, ist unterschiedlich. Am wahrscheinlichsten ist die Mundpropaganda der Gefangenen untereinander. Ansonsten versuchen wir durch Flyerverteilungen an Angehörige direkt vor den JVAs oder durch Radiosendungen und Briefe Kontakt aufzunehmen. Wir freuen uns natürlich immer, wenn sich Angehörigen bei uns melden oder ihren Lieben im Knast von uns erzählen.
Welche Erfolge habt ihr bisher erzielt?
Es konnten bisher einige Erfolge erzielt werden, hier wäre zum Beispiel für dieses Jahr das Aufdecken eines Schmuggelskandals unter Wärtern, illegaler Pokertuniere und das Urteil zu Arbeitslosengeld 1 zu nennen. Hier konnte der Anspruch auf ALG 1 für Häftlinge, die zwar ein Jahr während der Haft gearbeitet haben, denen aber trotzdem Leistungen verwehrt wurden, gerichtlich erstritten werden.
Gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften?
Ja, es gibt Zusammenarbeiten mit anderen Gewerkschaften. Vor allem bei Basisgewerkschaften wie der Freien Arbeiter Union (FAU) finden wir Anklang. Leider konnten sich die großen DGB–Gewerkschaften noch nicht zu einer Zusammenarbeit durchringen, die Vorbehalte gegenüber Inhaftierten sind einfach noch zu groß. Hier müssen wir noch bessere Überzeugungsarbeit leisten. Dankbar sind wir dennoch für all unsere solidarischen Freunde in diesen Gewerkschaften, die uns in der Vergangenheit unterstützt haben. Danke dafür.
Habt ihr internationale Kontakte zu Organisationen, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzen?
Gefangenenorganisation ist nicht nur in Deutschland ein Randphänomen, sondern auch in anderen Ländern. Es ist daher schön, dass sich derzeit viel in anderen Ländern tut. Eine Vernetzung mit anderen Gefangenengewerkschaften besteht bereits, so haben wir hier dieses Jahr den landesweiten Gefangenenstreik in den USA unterstützt. Dennoch können wir uns nie genug aufeinander beziehen, denn nur durch internationale Solidarität sind wir stark.
Arbeitet ihr auch zu dem Fall Amad Ahmad, der im September bei einem Brand in der JVA Kleve tödliche Verletzungen davontrug?
Vom Tod von Amad Ahmad haben wir selbst aus der Presse erfahren und sind bestürzt, wie mit den Angehörigen und der Aufklärung von Seiten der Justiz umgegangen wird. Amads Tod wird auf jeden Fall ein großes Thema für uns werden und wir wünschen seiner Familie von ganzem Herzen Kraft.