Seit 29 Jahren finden anlässlich der Ermordung des kurdischen Jugendlichen Halim Dener in Hannover Demonstrationen, Kundgebungen, Infoveranstaltungen und diverse weitere kreative Aktionen wie das Umbenennen von Straßen und das Anbringen von Gedenkplaketten statt. Im Stadtteil Linden wird eine Platzbenennung angestrebt. Der Platz wird seit Jahren inoffiziell als Halim-Dener-Platz aktiv genutzt. Die Kampagne Halim Dener, die seit Jahren für ein würdevolles Gedenken in der Stadt an den damals 16-jährigen kurdischen Jugendlichen kämpft, mobilisierte am vergangenen Freitag zu seinem Todestag rund 200 Menschen zu einer Gedenkkundgebung am Steintor, wo Halim Dener am 30. Juni 1994 von einem SEK-Beamten durch einen Schuss in den Rücken getötet wurde.
Auf der Kundgebung wurden von unterschiedlichen Gruppen und Initiativen Redebeiträge gehalten, es wurden Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt. Ein Aktivist sagte: „Heute vor 29 Jahren wurde Halim Dener hier auf dem Steintor erschossen. Die Themen der Kampagne ,Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen. - Aber niemals vergessen' sind wie damals auch heute aktueller denn je. Krieg, Folter, Vertreibung sowie der Tod auf gefährlichen Fluchtwegen oder hier Opfer von rassistischer Staats- und Polizeigewalt zu werden, füllen unsere Herzen mit Wut gegen das System der kapitalistischen Moderne. Dem muss man hinzufügen, dass die Formel Kurde = PKK = Terrorist durch eine Hetzkampagne eine Atmosphäre geschaffen hat, bei der jegliche politische Betätigung von Kurd:innen mit Terrorismus gleichgesetzt wird. Das hat auch zum Tod von Halim geführt."
iL: Weg mit dem Verbot der PKK!
Zur Erinnerungskultur in der Stadt Hannover erklärte die Interventionistische Linke (iL): „Es gibt gute Gründe, warum wir auch heute, an diesem 29. Todestag von Halim Dener hier stehen. Wir fordern seit Jahren einen Platz in der Erinnerungsgeschichte der Stadt Hannover. Die Stadt hat bis heute Sorge, sich die Hände schmutzig zu machen, denn Halim Dener war Kurde. Halim Dener, 16 Jahr alt, wurde in der Türkei gefoltert, floh nach Deutschland, klebte Plakate für die ERNK, eine PKK-nahe verbotene Organisation. Er wurde 1994 beim Plakatieren erwischt und von einem deutschen Polizisten erschossen. Es gab einen Prozess gegen den Polizisten. Er wurde freigesprochen. Wir kennen das. Ende der Geschichte? Nein. Wir nehmen es nicht hin. Dank der Initiativen vieler Menschen tut sich etwas. Ja, die Stadtoberen könnten sich inzwischen sogar eine Infotafel am Steintor vorstellen. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die das am Schauspielhaus aufgeführte Theaterstück zu Halim Deners Geschichte ausgelöst hat, scheint da so manchen motiviert zu haben. Nach jahrelangem Aussitzen will sich die Stadt nun plötzlich profilieren. Bemerkenswerte Kehrtwende! Hat man doch bspw. die Benennung des Halim-DenerPlatzes in Linden noch mit aller Macht gestoppt. Aber dieses Mal wird alles anders, jetzt haben sie es verstanden. Könnte man jetzt denken. Doch auch dieses Mal gibt es da natürlich viel zu berücksichtigen. Die allbekannten Bedenkenträger bringen sich in Stellung: Die Polizei erhebt Einspruch, die türkische konservative Community erhebt Einspruch, der Staatsschutz erhebt Einspruch, Politiker:innen erheben Einspruch. Welcher Brandgeruch steckt in den Kleidern des Geflüchteten, den sie alle so scheuen? Die Polizei möchte nicht länger mit dem mörderischen Tun ihres Beamten konfrontiert werden. Der Staatsschutz raunt: Oh, das könnte eine Pilgerstätte werden. Wir wollen keine Märtyrer. Die konservative türkische Gemeinde fürchtet sich vor einer Aufwertung der Interessen der kurdischen Gesellschaft. Und die politisch Verantwortlichen haben gleich mehrere Probleme: Der Krieg der türkischen Regierung gegen die kurdischen Gebiete wird mit deutschen Waffen und deutschen Panzern geführt. Die Türkei hält, gegen Zahlung von Milliarden, dem deutschen Staat Flüchtlinge vom Hals. Die deutsche Regierung möchte sich also nicht mit der rechten AKP-Regierung von Erdogan anlegen. Nun ist ein nächster Trippelschritt gemacht worden; das Zeitzentrum Zivilcourage soll eine wissenschaftliche Aufarbeitung durchführen, an der auch die Polizei beteiligt werden soll. Es war ja schon immer eine gute Idee, die Täter mit der Aufarbeitung ihrer Tat zu beauftragen. Wir sagen: Hört auf mit diesem durchsichtigen Getöse! Die Aufarbeitung und Dokumentation des Falls ist längst geleistet - von den Aktivist:innen der Kampagne Halim Dener, ohne jegliche Unterstützung der Stadt. Was endlich gebraucht wird, ist die Übernahme und die Anerkennung der politischen Verantwortung. Halim Dener: gefoltert, geflohen, verboten, erschossen. Weiterhin gilt: Einen Platz der Erinnerung werden wir gemeinsam erkämpfen müssen. Weg mit dem Verbot der PKK!"
Die Rote Hilfe listete in seinem Redebeitrag die bislang bekannten Betroffenen von Polizeigewalt in der Geschichte der BRD auf, die Initiative „Women Defend Rojava“ erinnerte an die Fluchtgründe von Halim Dener und ging auf die kurdische Frauenbewegung ein, die seit Beginn des Freiheitskampfes in Kurdistan eine zentrale Rolle darstellt. In Reden von Nav-Hannover und Defend Kurdistan wurde die deutsche Beteiligung am Krieg in Kurdistan hervorgehoben.