Gedenken an Feminizid von Şengal in Hamburg und Kassel

In Hamburg und Kassel haben Gedenkveranstaltungen anlässlich des IS-Angriffs auf das ezidische Siedlungsgebiet Şengal in Südkurdistan vor fünf Jahren stattgefunden. Die Polizei ging in Hamburg gegen YPJ-Fahnen vor.

Weltweit finden heute Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Feminizids und Genozids in Şengal statt. Der „Islamische Staat“ hat am 3. August 2014 das ezidische Siedlungsgebiet in Südkurdistan angegriffen und ein Massaker angerichtet. Wir berichten aus Hamburg und Kassel:

Hamburg

Mitglieder des Frauenrates Rojbîn, des Deutsch-Kurdischen Volksrates, der ezidischen Community in Hamburg und zahlreiche weitere Menschen kamen um 10.30 Uhr auf der Mönckebergstraße in Hamburg zusammen, um gemeinsam der Opfer des Genozids/Feminizids in Şengal vor fünf Jahren durch den sogenannten Islamischen Staat zu gedenken. Um 11 Uhr wurde eine Sirene abgespielt und während einer Schweigeminute Schilder mit den Forderungen der Ezid*innen hochgehalten.

Forderung nach Anerkennung des Feminizids/Genozids

„Viele Kämpferinnen und Kämpfer haben ihr Leben im Kampf gegen den IS und seine Verbündeten verloren. Im Gedenken an alle, die ihr Leben im Kampf für die Freiheit in Şengal und der gesamten Region verloren haben, rufen wir alle Frauen weltweit auf, den 3. August als einen Aktionstag gegen Feminizide wahrzunehmen. Damit nirgends auf der Welt Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden, die Täter wie der IS und seine Mittäter zur Rechenschaft gezogen werden, rufen wir alle verantwortlichen Staaten und Frauen weltweit dazu auf, die Forderung nach einem internationalen Tribunal zu unterstützen und somit ein Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit weltweit zu setzen“, erklärte Adalet Şare, die Ezidin und Mitglied des Hamburger Frauenrates Rojbîn ist.

Im Namen des Dachverbands der ezidischen Frauenräte forderte sie die internationale Anerkennung des Feminizids/Genozids und eine strafrechtliche Verfolgung der Täter, Anstifter, Beihelfer und Unterstützer des IS-Massakers.

Leyla Kaya verlas eine Erklärung der KCK, in der eine Autonomie für das ezidische Volk gefordert wird: „Ein autonomes Êzîdxan würde sowohl für den Irak als auch den restlichen Mittleren Osten ein vorbildliches Modell einer demokratischen Nation darstellen.“

Oloruntoyin LaToya Manly-Spain von der Black Community Hamburg, von der sich einige Frauen an der Kundgebung beteiligten, erklärte, dass das Leben jeder einzelnen Frau sehr wichtig und es eine Schande sei, dass 2019 das Leben von Frauen trotz der Menschenrechtskonvention fast keinen Wert habe. Sie schloss sich der Forderung der Ezidinnen an, den 3. August zu einem Gedenktag für den Schutz von Frauen und Kindern, einen internationalen Tag gegen Feminzid anzuerkennen.

Personalienfeststellung wegen YPJ-Fahnen

Am Ende der Kundgebung intervenierte die Hamburger Polizei und nahm die Personalien der Anmelderin der Kundgebung und weiterer Personen auf, die YPJ-Fahnen hielten. Die YPJ und YPG haben gemeinsam mit den HPG nach dem IS-Angriff einen Fluchtkorridor von Şengal nach Rojava freigekämpft und dadurch Tausenden Menschen das Leben gerettet.

Die Dreistigkeit und das unsensible Verhalten der Polizei führten bei den Anwesenden zu Fassungslosigkeit und Unverständnis. Unter ihnen war eine Frau, die wegen des Zeigens einer YPJ-Fahne schon einmal vor Gericht stand. Das Verfahren war eingestellt worden. Auch ihre Personalien wurden erneut aufgenommen, da sie einen kleinen YPJ-Sticker trug.

Schweigeminute in Kassel

Zum fünften Jahrestag des Genozids und Feminizids in Şengal haben Kurdinnen und Kurden in Kassel in Kooperation mit der evangelischen Markuskirche eine Schweigeminute abgehalten. Um 11 Uhr hat die Schweigeminute mit Plakaten und einer Fahne der YPG vor dem Altar in der Kirche begonnen, parallel dazu läuteten die Kirchenglocken, um auf die Opfer des IS aufmerksam zu machen. Die Pfarrerin der Markuskirche, Frau Fuhrhans, sprach ein Gebet für die Toten des Massakers und für die kurdischen Kämpfer*innen, die ihr Leben bei der Verteidigung der Zivilgesellschaft verloren haben. „Es war ein sehr rührender und emotionaler Moment für die Beteiligten“, kommentierte eine Teilnehmerin anschließend gegenüber ANF.