Im Europaparlament in Brüssel ist zwei Tage lang auf der Konferenz „Nordostsyrien/Rojava - Ein regionaler und globaler Lackmustest“ über die türkischen Besatzungsangriffe gegen Nordostsyrien, deren Hintergründe und Folgen sowie über die in der Region begangenen Menschenrechtsverletzungen und ihre internationale rechtliche Dimension diskutiert worden. Die letzte Sitzung der Konferenz fand unter dem Titel „Den türkischen Staat zur Verantwortung ziehen" statt.
Alfonsi: Erdogan ist geschwächt
„Die kurdische Frage ist eine Frage, die bisher vernachlässigt wurde“, sagte der grüne Europaabgeordnete François Alfonsi, der die letzte Sitzung auf der Konferenz moderierte: „Heute müssen wir dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken. Europa muss verstehen, dass die Türkei in der Tat nicht nur ein Problem der Bedrohung des Friedens ist. Die Türkei hat einen langen diktatorischen Prozess hinter sich." Alfonsi zeigte sich jedoch auch optimistisch: „Erdogan ist sowohl in Bezug auf die interne als auch auf die externe Unterstützung geschwächt."
Galbraith: Grenzsicherheit durch Türkei bedroht
Der ehemalige US-amerikanische Diplomat und politische Berater Peter W. Galbraith sagte: „Ich stimme der Meinung von Recep Tayyip Erdogan zu, dass es ein Problem des Terrorismus an den Grenzen gibt. Aber die Kurden in Rojava stellten keine Bedrohung für die Türkei dar. Im Gegenteil, es ist eine Tatsache, dass viele Terroristen aus der Türkei nach Rojava gekommen sind. Damit es klar ist: Alle ausländischen Terroristen, die nach Syrien einreisten, haben die Türkei passiert.“
Galbraith bezeichnete den US-Präsidenten Donald Trump als einen „korrupten, bösartigen Menschen“ und sagte: „Wenn die Vereinigten Staaten nicht die Führung übernehmen können, dann muss es Europa sein." In diesem Zusammenhang verwies er auf Frankreich, das diese Rolle übernehmen könne. Außerdem schlug Galbraith vor, dass ein Delegierter des US-Kongresses nach Nord- und Ostsyrien eingeladen werden sollte. Zur PKK erklärte er: „Es ist an der Zeit, die PKK nicht mehr als terroristische Organisation zu betrachten." Bei der PKK handele es sich um eine Aufstandsbewegung. Wenn es zu einem Ende der militärischen Operationen und einer Rückkehr zum Verhandlungstisch komme, könne die PKK von der Terrorliste gestrichen werden.
Bedran Çiya: Türkei bedient sich islamistischer Gruppen
Bedran Çiya, der als Berater für die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien tätig ist, skizzierte auf der Konferenz den kurdischen Blickwinkel auf Syrien und verwies auf den Verteilungskampf der internationalen Mächte in dem Land. Die Türkei wolle ein islamisches Regime im eigenen Dienst in Nordsyrien installieren und gleichzeitig alle kurdischen Errungenschaften zerstören. Dafür bediene sich das NATO-Mitglied islamistischer Gruppierungen, die vom türkischen Staat finanziert und aufgebaut worden seien. Çiya legte eine Liste von Mitgliedern des IS und der Al-Nusra-Front vor, die sich unter den von der Türkei gesteuerten Milizionären befinden. „Die Kurden werden finanziert von der EU getötet. Wie kann die EU ein Land unterstützen, das ein Völkermordprojekt durchführt?“, fragte der Berater der nordsyrischen Autonomieverwaltung und appellierte an die internationalen Kräfte, sich nicht von der Türkei erpressen zu lassen.