Trauer, Wut, ein Sturm der Entrüstung und die Entschlossenheit, gegen Gewalt und Terror von rechts vorzugehen, ließen auch am Freitag unzählige Menschen an Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen für die Opfer des rechtsextremistischen Anschlags von Hanau teilnehmen. Am Mittwochabend hatte ein 43-jähriger Deutscher zunächst in einer Shishabar im Zentrum der Mainstadt vier Menschen gezielt erschossen. Wenig später griff er im Stadtteil Kesselstadt einen Kiosk und auf der Fahrt dahin zwei Autofahrer an. Er tötete fünf weitere Menschen – alle mit migrantischem Hintergrund, darunter vier Kurden –, bevor er in einer Wohnung seine 72-jährige Mutter und sich selbst erschoss.
Hamburg
In Hamburg nahmen heute 60.000 Menschen am „Klimastreik zur Bürgerschaftswahl 2020“ teil. Aufgerufen zu der Demonstration hatte „Fridays for Future“. In der Hansestadt wird am Sonntag eine neues Landesparlament gewählt.
Die Auftaktkundgebung wurde mit einer Schweigeminute für die Toten von Hanau eingeleitet. „Alle zusammen gegen den Faschismus“ hallte es danach über das Heiligengeistfeld. Anschließend trat Yavuz Fersoglu auf die Bühne und erklärte im Namen des bundesweit größten kurdischen Dachverbands KON-MED: „Der Attentäter von Hanau ist kein Einzeltäter. Diese faschistischen Taten passieren in einem gesellschaftlichen Klima, in dem brutalster Rassismus wieder salonfähig geworden ist. Bestätigt fühlen können sich militante Neonazis auch durch die AfD und rechtspopulistische Rhetorik, die in der sogenannten bürgerlichen Mitte zu finden sind. Für ‚Wehret den Anfängen‘ ist es längst zu spät, es ist höchste Zeit zu handeln. Schauen wir nicht länger zu. Stellen wir uns dem rechten Terror entgegen. Werden wir laut gegen Rassismus und Ausgrenzung!“
In Hamburg findet am Samstag um 16 Uhr eine Bündnisdemonstration unter dem Motto „Gegen den rechten Terror“ statt, zu der KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften aus Kurdistan), der Frauenrat Rojbîn, DIDF (Föderation der demokratischen Arbeitervereine) und ATIF (Konföderation der Arbeitervereine aus der Türkei) aufrufen.
Stuttgart
In Stuttgart hatte das Bündnis „Zusammen kämpfen“ zu einer Kundgebung am Ostendplatz eingeladen, um ein Zeichen gegen Faschismus zu setzen. In einem Redebeitrag einer Aktivistin hieß es: „Rechten Terror gibt es seit dem Beginn der Bundesrepublik und hat in ihr Kontinuität. Aber anstatt das offen auszusprechen, was sowieso faktisch bewiesen ist, wird sofort nach der Bluttat des Rassisten Tobias R. der Täter psychologisiert und die Tat als krankhaft und einmalig verharmlost und negiert. Aber es ist eben nicht die Tat eines kranken Menschen, der Wahnvorstellungen hat, sondern die eines Menschen, der in dem aktuellen gesellschaftlichen Klima eine Legitimation seiner Morde sieht. Statt zu versuchen, eine solidarische Gesellschaft aller zu errichten, wird das kapitalistische Konkurrenzverhältnis immer weiter vorangetrieben und damit rechten Ideologien und den Morden weiter Vorschub geleistet. Es liegt an uns, diese Verhältnisse umzuwerfen. Antifaschismus heißt, die Zusammenhänge zu benennen und zu bekämpfen.“
Osnabrück
In Osnabrück veranstaltete das Kurdisch-demokratische Gesellschaftszentrum eine Demonstration durch die Innenstadt. Die Teilnehmer*innen forderten die Bundesregierung auf, eine klare Haltung zu zeigen und entschieden gegen rechte Netzwerke und Rechtsterrorismus vorzugehen.
Den Haag
In der niederländischen Stadt Den Haag versammelten sich Aktivist*innen türkischer und kurdischer revolutionärer Gruppen, die sich vor einiger Zeit zur „Demokratie-Plattform“ zusammengeschlossen haben, vor der deutschen Botschaft, um gegen den faschistischen Terror in Hanau zu protestieren. Nach einer Schweigeminute für die Opfer des Anschlags wies eine Aktivistin in einem Redebeitrag auf die europaweite Welle rechtsterroristischer Gewalt hin und forderte die Regierungen der europäischen Staatengemeinschaft auf, Rechtsterrorismus endlich als politisches Problem zu begreifen.
Zürich
In der Schweizer Metropole Zürich fand auf Aufruf des Bündnisses demokratischer Kräfte in der Schweiz (IDGB) eine Mahnwache am Stauffacher Platz statt. Mit Kerzen, Flaggen und Bannern mit Aufschriften wie „Rassismus ist keine Krankheit sondern ein Verbrechen“ versammelten sich Hunderte Menschen, um den Toten von Hanau zu gedenken. Eine Rednerin wies auf die Mitverantwortung rechtsextremistischer Parteien wie der AfD und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) für Anschläge wie Hanau hin und rief zum Widerstand gegen Nationalismus und Faschismus auf.