Der 1. November 2014 war ein Meilenstein der internationalistischen Solidarität. An diesem Tag gingen Millionen von Menschen auf die Straße, um den selbstlosen Widerstand von Kobanê gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu unterstützen, die Wochen zuvor mit türkischer Schützenhilfe die westkurdische Stadt im Norden von Syrien überrannt hatte. Nach 134 Tagen des Widerstands brachten die YPG und YPJ dem sogenannten IS in Kobanê die erste und vor allem entscheidende Niederlage bei. Kommenden Sonntag findet der inzwischen siebte Welt-Kobanê-Tag statt.
Rund um den Globus werden wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gehen, um ihre Solidarität mit dem Verteidigungskampf von damals zum Ausdruck zu bringen – auch in der Mainmetropole Frankfurt. Dort lädt der Verein Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane e.V. zu einer Kundgebung ein. In der Ankündigung zur Veranstaltung erinnert der Verein: „Weil die Kurd*innen damals bei der Bekämpfung des IS völlig alleine gelassen wurden, organisierte die Demokratische Partei der Völker (HDP) in der Türkei damals wochenlange Proteste, die die Weltöffentlichkeit entscheidend beeinflussten und dafür sorgten, dass die kurdischen Verteidigungskräfte YPG und YPJ endlich Unterstützung erhielten. Dafür rächt sich der türkische Staat heute durch einen politischen Vernichtungsfeldzug, mit Massenverhaftungen von HDP-Politikerinnen, Immunitätsentzug von Abgeordneten, durch Absetzung von HDP-Bürgermeistern und durch die Terrorisierung der kurdischen Bevölkerung. Denn der AKP/MHP-Regierung wäre eine unter IS-Herrschaft stehende Nachbarschaft lieber gewesen als eine demokratische kurdische Selbstverwaltung.
Kobanê ist heute ein Symbol für die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen und ethnischen und religiösen Gruppen. All das ist der Türkei ein Dorn im Auge und so greift sie die selbstverwalteten Gebiete in Nordostsyrien permanent an, hält Gebiete völkerrechtswidrig besetzt und terrorisiert die Bevölkerung gemeinsam mit jihadistischen Söldnern. So schafft sie die Voraussetzungen für ein Wiedererstarken des IS. Die Türkei ist eine Diktatur, sie ist einer der aggressivsten Kriegstreiber und Förderer des radikalen Islamismus in der Region und wir verlangen von der Bundesregierung endlich wirksame Sanktionen und ein Ende ihrer Appeasement-Politik! Kobanê und ganz Rojava haben für die gesamte Menschheit und unter großen Opfern Widerstand gegen den IS geleistet und verdienen unsere volle Solidarität und Unterstützung. Daran erinnern wir an diesem Tag!“
Redner: Sozialist, Politiker, Schriftsteller und Journalist Ertuğrul Kürkçü
Als Redner der Kundgebung wird der HDP-Ehrenvorsitzende Ertuğrul Kürkçü erwartet. Der Sozialist, Journalist, Schriftsteller und Politiker war Aktivist der 68er-Bewegung und gründete 1970 mit Mahir Çayan und anderen Revolutionären die Türkische Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C). Wegen seinem politischen Aktivismus verbrachte er vierzehn Jahre als Gefangener in der Türkei, nach seiner Entlassung war er Herausgeber der „Enzyklopädie des Sozialismus und der sozialen Kämpfe“. Kürkçü gehört zu den Gründern der Partei für Freiheit und Solidarität (ÖDP), der ersten vereinigten linken Partei der Türkei überhaupt, die im Jahr 1996 entstand. 1997 wurde er wegen der Übersetzung eines Berichts von Human Rights Watch (HRW) zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt. Kürkçü zog jedoch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und gewann eine Entschädigung. 2011 wurde er zum ersten Mal ins Parlament gewählt. 2018 stellte er sich nicht erneut als Kandidat auf.
Musikalisches Programm: Lale Koçgün & Ensemble
Für das musikalische Programm werden Lale Koçgün & Ensemble sorgen. Die 1983 in Rheinland-Pfalz geborene Tochter einer alevitisch-kurdischen Familie aus der Region Qoçgirî studierte auf der Suche nach der traditionellen Musik ihrer Heimat Tembûr und Gesang an der Mainzer Weltmusik-Akademie. 2003 gründete sie ihr erstes Quartett und veröffentlichte 2015 ihr Debut-Album „Sirri-dem“, in dem sie ihre Zuhörer*innen auf eine Liederreise zu ihren Wurzeln mitnimmt. Mal melancholisch und besinnlich, dann wieder temperamentvoll, wird Koçgün, deren Muttersprache Kirmanckî (Zazakî) ist, sowohl als Sängerin wie auch als Tembûr-Virtuosin das Publikum beeindrucken.
Die Kundgebung zum Welt-Kobanê-Tag in Frankfurt findet am Sonntag, dem 1. November, um 15 Uhr am Paulsplatz statt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden gebeten, sich an die Corona-Auflagen zu halten und während der gesamten Veranstaltung unbedingt einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen sowie den Abstand von 1,50 Meter einzuhalten. Unterstützt wird die Veranstaltung von: Kurdisches Gesellschaftszentrum Frankfurt, Amara Kurdischer Frauenerat, Women Defend Rojava/Frankfurt, Riseup4Rojava/Frankfurt