Seitdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Grenze zur EU geöffnet hat, ist die Stimmung zwischen Ankara und Brüssel weiter angespannt. Die EU wiederholt sich in ihren Erklärungen, sich nicht erpressen lassen zu wollen, aber gerade die Bundesregierung tritt für ein Appeasement mit dem Diktator und für Zugeständnisse im Rahmen einer Besatzungszone in Nordsyrien ein.
Der türkische Präsident reist am Montag zu Gesprächen nach Brüssel. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel werden beim heutigen Treffen um 18.00 Uhr alles daran setzen, die Türkei zur Wiederaufnahme der Blockade der Grenze für Schutzsuchende zu bringen. Der türkische Regimechef wird versuchen, Unterstützung für seine Besatzung in Nordsyrien und direkte Geldzahlungen an das AKP-Regime zu erzwingen.
Menschen im Grenzgebiet werden sprichwörtlich zerrieben
Erdogan hatte am 29. Februar erklärt, die Grenze zur EU sei für Migranten offen. Dies ist ein Verstoß gegen das EU-Türkei-Abkommen. Das Verhältnis beider Seiten ist seitdem äußerst angespannt. EU-Vertreter warfen Erdogan mehrfach vor, die Staatengemeinschaft erpressen zu wollen und Migranten dafür zu instrumentalisieren. Während die EU mit aller Gewalt – auch tödlicher – versucht, gegen Schutzsuchende, die die Grenze passieren wollen, vorzugehen, treibt die türkische Polizei die Schutzsuchenden mit Gewalt auf die Grenze zu. Die Menschen im Grenzgebiet werden so sprichwörtlich zwischen der EU und der Türkei zerrieben.
Erdogan hatte Athen am Sonntag dazu aufgerufen, die Migranten an der gemeinsamen Grenze durchzulassen. „Hey Griechenland, diese Menschen kommen nicht zu dir und bleiben, sie kommen zu dir und gehen in andere Länder Europas. Warum störst du dich daran?“, so Erdogan in Istanbul. „Mach du doch auch die Tore auf.“
Leere Worte des deutschen Außenministers
Außenminister Heiko Maas knüpft mögliche weitere Hilfsgelder für die Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei an Bedingungen. „Wenn es bei der lebensnotwendigen humanitären Versorgung von Flüchtlingen Finanzierungslücken gibt – egal ob in der Türkei, in Idlib oder in Jordanien und Libanon – werden wir uns nie dem Gespräch verweigern“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag). „Das setzt aber voraus, dass sich die Türkei an ihren Teil der Vereinbarungen hält.“ Verzweifelte Menschen als politisches Faustpfand zu missbrauchen, werde nicht akzeptiert. „Eine Verhandlungstaktik auf dem Rücken der Schwächsten wird nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen.“ Diese Worte werden von NGOs als leeres Gerede kritisiert, da der EU-Türkei-Deal bereits auf einer „Verhandlungstaktik auf dem Rücken der Schwächsten“ basierte.
Linke-Chefin Katja Kipping erklärte hierzu, statt mit der Türkei über „Schutzgeld“ zu verhandeln, müsse die EU endlich eine tragfähige europaweite Lösung für den Zugang zu fairen Asylverfahren und die Aufnahme von Flüchtlingen finden. „Mit diesem kriegslüsternen Despoten über die Festsetzung von Flüchtlingen zu verhandeln, widerspricht allen demokratischen und humanistischen Standards.“
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff forderte, in Brüssel als erstes eine Deeskalation der Lage an der Grenze zu vereinbaren, bevor über weitere Fragen gesprochen werde. „Die Türkei muss wieder Vertrauen in ihre Vertragstreue herstellen und Maßnahmen ergreifen, um illegale Grenzübertritte zu verhindern“, sagte er Medien gegenüber.
SPD für Fortsetzung des menschenfeindlichen EU-Türkei-Deals
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sprach sich dafür aus, das EU-Türkei-Abkommen im Kern zu erhalten und zu verlängern. Die EU zahle Milliardenhilfen dafür, dass die Flüchtlinge in der Türkei untergebracht werden. „Für diese Unterbringung muss die Türkei auch weiter sorgen“, erklärte Nils Schmid.
Bei dem Treffen zwischen Erdogan, von der Leyen und Michel soll es am heutigen Montag auch um die weiteren Aspekte des EU-Türkei-Abkommens gehen, etwa die Umsiedlung syrischer Flüchtlinge von der Türkei in die EU, die Visaliberalisierung für Türken und den Ausbau der gemeinsamen Zollunion. Erdogan beklagt immer wieder, dass es in diesen Bereichen keinen Fortschritt gebe. Zudem soll über die Situation im Bürgerkriegsland Syrien diskutiert werden.