Drohungen gegen alevitische Dörfer sind die Folge der AKP-Politik

Der Ko-Vorsitzende der Demokratischen Alevitischen Vereine in Ankara, Mustafa Karabudak, weist darauf hin, dass die Drohungen gegen alevitische Dörfer im Raum Tokat eine Folge der Politik des Regimes seien.

Auf einer Karte des türkischen Gesundheitsministeriums im Krankenhaus von Almus sind alevitische Dörfer bei Tokat rot mit dem Schriftzug „Alevi“ markiert worden. Nach Protesten räumte das Gesundheitsministerium ein, dass eine Karte in dieser Hinsicht von einem Arzt „manipuliert“ worden sei. Gegen den Arzt seien rechtliche Schritte eingeleitet worden.

Die Markierung und Herausstellung von alevitischen Dörfern ist aufgrund der Verfolgungsgeschichte in der Türkei und Nordkurdistan ein äußerst sensibles Thema. Bei Massakern wie in Maraş (ku. Gurgum) oder in Çorum markierten Faschisten die Häuser von Aleviten, die Tags darauf überfallen und ermordet wurden. Der Ko-Vorsitzende der Demokratischen Alevitischen Vereine in Ankara, Mustafa Karabudak, äußerte sich im ANF-Gespräch besorgt zu dem Thema. Karabudak sagt, die Markierung der Dörfer in Tokat stelle nicht den ersten solcher Vorfälle dar.

Markierungen sind Zeichen systematischer Diskriminierung

Im Gegenteil: Alevitische Häuser seien in der letzten Zeit auch in Çorum, Ezirgan (tr. Erzincan), Meletî (Malataya), Ankara, Istanbul und Yalova markiert worden. „In Tokat-Almus gingen sie noch weiter, sie beginnen nun, ganze Dörfer und nicht mehr nur Häuser zu markieren”, so Karabudak. „Sie haben die alevitischen Dörfer auf einer Karte mit dem Logo des Gesundheitsministeriums als ‚alevitisch‘ markiert. Wenn sie die Leute, die zur Behandlung ins Krankenhaus kommen, nach ihrem Herkunftsort fragen, dann schauen sie auf die Karte und stellen fest, ob diese alevitisch sind oder nicht. Dies ist das Ergebnis der diskriminierenden Politik, die der Staat seit Jahren verfolgt. Sie markieren die Häuser von Aleviten, sie beobachten ihre Arbeitsplätze, sie greifen ihre Friedhöfe, ihre heiligen Orte und ihre Cem-Häuser an“, so Budak.

Mustafa Karabudak

Nichts anderes als Mordaufrufe“

Karabudak sieht das Vorgehen im historischen Kontext und führt aus: „1978 und in den 1980er Jahren wurden die Häuser von Aleviten markiert und die Bewohner wurden am nächsten Tag umgebracht. Diese Markierungen sind nichts anderes als Mordaufrufe. Die Tatsache, dass Menschen durch solche Markierung gebrandmarkt werden, ist Folge einer reaktionären, faschistischen Mentalität. Sie zielt darauf ab, dass sich die Menschen verstecken und ihren Glauben verleugnen. Aleviten sollen eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden. Aber weder den Osmanen noch den Seldschuken gelang es, die Aleviten durch Massaker auszulöschen oder zu assimilieren.“

Zivilgesellschaft ist eingeschüchtert

Karabudak geht auch auf die Problematik der staatlichen Zwangsverwaltung ein und warnt, dass dies bald auch Vereine und Stiftungen betreffen werde: „Über den meisten Institutionen schwebt dieses Damoklesschwert. Dieses Schwert schwebt über unseren Köpfen. Viele denken, wenn sie etwas tun, das dem Staat nicht gefällt, dann werde dies als Grund genutzt werden, um die Einrichtung zu schließen und einen Zwangsverwalter zu ernennen. Vor einem Monat haben wir uns mit dem Menschenrechtsverein IHD und anderen demokratischen Institutionen zusammengesetzt und überlegt, was wir gegen die Zwangsverwaltung machen können. Wir wollten eine fünfminütige Erklärung abgeben, aber es gab sofort Provokationen. Was sollen wir von einem Staat erwarten, der nicht einmal eine fünfminütige Presseerklärung tolerieren kann? Wir haben eine Delegation gebildet, mit der wir die einzelnen Einrichtungen besuchen und dort erklären wollen, was die Zwangsverwalter mit sich bringen. Wir sagen, dass wir das Problem lösen können, wenn wir zusammenstehen. Aber bisher haben wir keine ernsthafte Erwiderung gefunden. Viele vertreten die Haltung: ‚Ich stelle mich an den Rand und werde nicht gesehen. Deswegen werden sie mich nicht antasten‘. Wir werden aber trotzdem weitermachen.“