Lage auf Rettungsschiff „Alan Kurdî“ spitzt sich zu

Seit zehn Tagen wird das Rettungsschiff „Alan Kurdî“ mit 149 Schutzsuchenden an Bord vor der italienischen Küste am Anlanden gehindert. Sea-Eye meldet nun den Suizidversuch eines Schutzsuchenden an Bord des Schiffes.

Die Lage an Bord des deutschen Rettungsschiffes „Alan Kurdî“ wird immer dramatischer. Ein aufgrund von Gewalterfahrungen in einem libyschen Gefängnis schwer traumatisierter 24-jähriger Schutzsuchender versuchte sich das Leben zu nehmen. Die Schiffsärztin Dr. Caterina Ciufegni erklärte in ihrem medizinischen Bericht an die italienische Küstenwache: „Der Patient ist eine Gefahr für sich selbst und andere. Wir sind sicher, dass sich der Zustand weiter verschlechtern wird.“

Psychosoziale Lage spitzt sich zu

Die psychosoziale Lage auf dem seit zehn Tagen vor der italienischen Küste festsitzenden Schiff eskaliert immer weiter. So berichtet Sea-Eye von Selbstverletzungen von Schutzsuchenden. Als drei besonders betroffene Schutzsuchende evakuiert werden sollten, kam es zu dramatischen Szenen. Der Einsatzleiter von Sea-Eye, Jan Ribbeck, berichtete „Die Menschen sind total verzweifelt und werden seit 10 Tagen auf der Alan Kurdî festgehalten. Sie deuteten an, ins Wasser springen zu wollen, um die italienischen Boote zu erreichen. Sie ließen sich kaum beruhigen.“ Glücklicherweise konnte die Evakuierung dennoch erfolgen.

Bisher kein Termin für Evakuierung

Die italienische Verkehrsministerin hatte am Sonntag die Evakuierung der Schutzsuchenden auf ein größeres Schiff angekündigt, bis jetzt ist allerdings nichts in der Hinsicht geschehen. Eine konkrete Information über Ort und Zeitpunkt der Evakuierung kommt weder aus Rom noch aus Berlin. „Die italienischen Behörden sind weiter bei der Vorbereitung eines Schiffes, auf das die 149 Personen verlegt werden können“, teilte das Auswärtige Amt am Mittwochabend der Einsatzleitung von Sea-Eye mit. Über den Zeitpunkt könne aber keine Auskunft erteilt werden.

Fast 190 Schutzsuchende sitzen auf Rettungsbooten fest

Die Häfen von Italien, Malta und Libyen sind geschlossen. 149 Menschen auf der „Alan Kurdî“ und 43 Menschen auf dem spanischen Rettungsschiff „Aita Mari“ werden weiterhin ein sicherer Hafen verwehrt. Für mehrere Seenotfälle übernahm am Osterwochenende keine Rettungsleitstelle Verantwortung.

Sea-Eye: „Erbarmungsloser Umgang mit Flüchtenden politischer EU-Konsens“

Gordon Isler, Vorsitzender von Sea-Eye, erklärt dazu: „Der erbarmungslose Umgang mit Flüchtenden scheint derzeit an allen Grenzen der EU politischer Konsens zu sein. Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, ist kein neues Phänomen und kann deshalb nicht allein mit Corona begründet werden. Die gesteigerte Brutalität gegen Flüchtende und die neue Härte gegen Rettungsorganisationen kann nur mit dem Versuch der abschreckenden Wirkung erklärt werden. Ein solidarisches Verhalten der EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Italien und Malta ist längst überfällig.“

Sea-Eye

Der Verein Sea-Eye e. V. wurde 2015 in Regensburg gegründet. In den ersten Vereinsjahren retteten die ehrenamtlichen Crews mit den umgerüsteten Fischkuttern „Sea-Eye“ und „Seefuchs“ mehreren tausend Menschen das Leben. Im Sommer 2018 entschied der Verein, ein neues Schiff unter deutscher Flagge in den Einsatz zu senden. Die „Alan Kurdi“ war das erste Schiff einer Hilfsorganisation im zentralen Mittelmeer unter der Bundesflagge. Insgesamt beteiligten sich über 1.000 ehrenamtliche Crewmitglieder in über 70 Missionen an der Rettung von 15.056 Menschen.

Titelfoto: Sea-Eye