In den türkischen Gefängnissen und in Europa finden Hungerstreiks für die Aufhebung der Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan statt. Initiiert wurde die Protestwelle von der HDP-Abgeordneten Leyla Güven, die am 7. November im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) in einen Hungerstreik getreten ist. Ihrer Aktion haben sich am 17. Dezember 14 kurdische Aktivistinnen und Aktivisten in Straßburg angeschlossen. Sie fordern vom europäischen Antifolterkomitee (CPT) einen Besuch bei Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. Seit September 2016 gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan.
Nach über drei Wochen Nahrungsentzug zeigen sich bei den Hungerstreikenden in Straßburg gesundheitliche Beschwerden wie Übelkeit, Kopfschmerzen, niedriger Blutdruck, veränderte Blutwerte, Schwächezustände und Schlaflosigkeit. Die Aktivistinnen und Aktivisten stehen unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Eine medizinische Behandlung lehnen sie geschlossen ab.
Einer der betreuenden Ärzte vom kurdischen roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê) ist Dr. Fahrettin Gülşen. Wie der erfahrene Mediziner erklärt, zeigen sich bei einigen der Hungerstreikenden bereits jetzt Anzeichen, die normalerweise erst nach vierzig Tagen zu erwarten sind. „Das bereitet uns Sorgen. Wir rufen daher das CPT und den Europarat dringend zum Handeln auf“, so der Arzt.
„Für uns gelten die Erklärungen von Tokio und Malta“
Dr. Fahrettin Gülşen betreut die Hungerstreikenden in Straßburg seit dem 17. Dezember. „Vor Beginn haben wir alle, die an der Aktion teilnehmen wollten, untersucht. Bei einigen wurde festgestellt, dass sie gesundheitlich nicht dazu in der Lage sind. Sie wurden abgewiesen. Wir arbeiten hier entsprechend der Erklärungen von Tokio und Malta des Weltärztebundes. Das bedeutet, dass das Selbstbestimmungsrecht der Aktivisten gewahrt wird. Wir respektieren ihren Willen. Wir haben allen Beteiligten jedoch erklärt, welche Beschwerden auftreten können. Die Hungerstreikenden haben gesagt, dass sie ihre Aktion trotzdem fortsetzen werden. Wir haben alles dokumentiert und informieren die Betroffenen über ihre gesundheitlichen Werte.“
„Neun Kilo Gewichtsverlust sind besorgniserregend“
Heute fand die vierte Routinekontrolle der Hungerstreikenden statt. Dr. Gülşen erklärt dazu: „Sie haben zwischen vier und neun Kilo Gewicht verloren. Für 23 Tage Nahrungsentzug ist das viel. In gewisser Weise macht auch der viele Besuch den Aktivisten zu schaffen. Bei etwa zehn von ihnen haben wir eine erhöhte Geruchs- und Geräuschempfindlichkeit festgestellt. Es gibt Veränderungen der Blutwerte. Der Unterschied zur ersten Kontrolle ist groß. Unserer Meinung nach verweisen diese Veränderungen auf ein erhöhtes Risiko in der kommenden Zeit. Wenn diese Probleme bereits am 23. Tag auftreten, werden sie schnell größer werden. Ein Problem ist auch die Schlaflosigkeit. Manche schlafen nur zwei bis drei Stunden täglich. Nach meiner Erfahrung sollten die festgestellten Beschwerden erst nach 35 bis 40 Tagen auftreten. Das bereitet uns Sorgen. Wir fürchten auch die Ansteckungsgefahr durch die Besucher. Eine Lungenentzündung beispielsweise kann tödlich verlaufen. Insofern hoffe ich sehr, dass die Forderungen der Hungerstreikenden schnell erfüllt werden und die Aktion beendet wird, bevor sie Menschenleben kostet.“
Dr. Gülşen hat schon mehrere Hungerstreiks medizinisch betreut. „Bei den früheren Hungerstreiks wurden die Forderungen nach 35 und 50 Tagen erfüllt. Damit konnte verhindert werden, dass die Aktivisten ihr Leben verlieren. Dasselbe erwarten wir auch heute“, so der Arzt.