Deutsche Repressionsbehörden erweitern Kriminalisierung
Mit einer Presseerklärung nimmt der Studierendenverband YXK/JXK Stellung zu der erweiterten Repression gegen Kurdinnen und Kurden.
Mit einer Presseerklärung nimmt der Studierendenverband YXK/JXK Stellung zu der erweiterten Repression gegen Kurdinnen und Kurden.
Der Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) und die Studierenden Frauen aus Kurdistan (JXK) nehmen mit einer Presseerklärung Stellung zu den Angriffen der bundesdeutschen Repressionsorgane gegen Kurdinnen und Kurden:
„Am 10. Februar 2019 startete der jährliche lange Marsch (Meşa Dirêj) kurdischer und internationalistischer Aktivist*innen von Mannheim nach Straßburg.
Das Ziel der Teilnehmenden ist auch dieses Jahr die europaweite Großdemonstration in Straßburg für die Freiheit von Abdullah Öcalan, welche am 16. Februar erreicht werden sollte.
Bereits vor Beginn des langen Marsches sprach die örtliche Polizei in Mannheim ein Verbot des Abbildes von Abdullah Öcalan aus. Dieses Verbot richtete sich auch gegen die Westen, die von den Teilnehmenden des Marsches getragen werden sollten, da sich darauf das Abbild Öcalans befand. Die Teilnehmenden ließen sich von der Maßnahme nicht provozieren, drehten ihre Westen um und hielten sich an die vereinbarten Auflagen. Im weiteren Verlauf des ersten Tages wurde anschließend mehrfach durch Polizeidurchsagen kundgetan, dass die Parole ‚Bijî Serok Apo‘ (Lang lebe unser Vorsitzender Apo) verboten sei. Dieses Verbot – gestützt auf keinerlei rechtlichen Grundlage – diente am dritten Tag (13. Februar) zur Legitimation eines brutalen Polizeiübergriffes auf alle Teilnehmenden des langen Marsches.
Schon im Vorfeld zeigte sich die Polizei in Karlsruhe desinteressiert an einer konfliktfreien Fortsetzung des langen Marsches und versuchte auch währenddessen, die Menge durch mehrfache Unterbrechungen und neue Verbote einzuschüchtern und zu provozieren.
Am dritten Tag äußerte die Polizei gegen 16.40 Uhr, dass sie eine kurze Pause einlegen müssten, um wartenden Autoverkehr vorbeizulassen. Die Jugendlichen folgten der Anweisung, wurden jedoch plötzlich auf engstem Raum eingekesselt.
Dieser Angriff erwies sich als geplant, denn innerhalb weniger Sekunden vermehrte sich die Zahl der Polizeiwagen und der Polizisten. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste plötzlich über dem Stadtbezirk.
In den darauffolgenden Minuten wurden die Teilnehmenden des Marsches nach und nach gewaltsam und tumultartig aus der gebildeten Menschenkette innerhalb des Kessels gezerrt und zur Ausweiskontrolle geführt. Die meisten Aktivist*innen wurden dabei festgenommen, verprügelt und vorsätzlich verletzt.
Am brutalsten ging die Polizei in Karlsruhe dabei gegen einen jungen Aktivisten vor, der sich bereits im Kessel als Epileptiker zu erkennen gab. Trotz der Aufklärung über seine Krankheit und der Forderung, den Aktivisten aufgrund von körperlicher Untauglichkeit aus dem Kessel zu lassen, wurde der Aktivist rausgezerrt und bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt. Dabei verpassten ihm die Beamten mehrfach Tritte und Schläge gegen den Kopf, bis dieser ohnmächtig umfiel und im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Zustand des Aktivisten wurde in den ersten Momenten als lebensgefährlich eingestuft. Ein Radiologe stellte im Nachhinein ernsthafte Schwellungen im Gehirn fest.
Einer weiteren Aktivistin wurde bei der gewaltsamen Festnahme durch die Polizei am dritten Tag des Marsches die Nase gebrochen.
Durch die geplante Prügelattacke seitens der deutschen Polizei wurden am dritten Tag des langen Marsches mehrere Teilnehmende verletzt. Zeitgleich sprachen die Behörden ein Verbot für den langen Marsch aus und erklärten eine angemeldete und friedliche Demonstration für illegal und kriminell. Den Attacken zum Trotze wendeten die eingekesselten Aktivist*innen ihre Westen auf links und ließen das Abbild Abdullah Öcalans erscheinen.
Noch am Morgen des 13. Februar nahm die Polizei auf Anweisung des Innenministers Horst Seehofer eine Razzia im kurdischen Mezopotamien-Verlag und beim kurdischen Musikvertrieb MIR Multimedia GmbH vor. Dabei wurde vor allem sämtliches Material beschlagnahmt, welches sich mit der kurdischen Sprache und Kultur befasst. Wenige Stunden später dann der gewaltsame Angriff auf den langen Marsch kurdischer Jugendlicher. Eine Verknüpfung zwischen beiden Angriffen liegt damit zweifellos vor!
Mit allen Mitteln wurde auch dieses Jahr versucht, den langen Marsch der kurdischen Jugend nach Straßburg zu manipulieren und anschließend zu verhindern. Als Grundlage dienten willkürliche Vorwände der deutschen Repressionsbehörden.
Die Teilnehmenden ließen sich allerdings keinesfalls einschüchtern und gaben am Abend des 13. Februar bekannt, dass sie ihre Demonstration fortsetzen und sich dem langen Marsch der Internationalist*innen in Metz anschließen. Von dort aus werden alle Teilnehmenden gemeinsam weiter nach Straßburg marschieren.
Aber auch dabei blieb es nicht: Der vollbesetzte Bus nach Metz wurde kurz nach dem Erreichen der französischen Grenze von der Polizei angehalten und kontrolliert. Dabei wurden besonders Aktivist*innen mit Aufenthaltstitel einer speziellen Kontrolle unterzogen und erst nach Feststellung der Personalien wieder in den Bus gelassen.
Die Teilnehmenden des langen Marsches kündigten am 13. Februar an, gerichtlich gegen die brutalen Polizeimaßnahmen vorzugehen und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Worauf stützt die Bundesregierung ihre aggressive Repressionspolitik gegen Kurdinnen und Kurden?
Die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden in Deutschland hat einen langjährigen und politisch tief verwurzelten Hintergrund. Die Beziehungen der Bundesregierung zur Türkei sind daher weder neu noch unerklärlich:
Beide Staaten teilen seit jener Zeit den gemeinsamen ideologischen Standpunkt des Nationalismus und Faschismus, welcher zur Unterdrückung, Assimilation und Vertreibung von Minderheiten führt. In der Türkei sind es besonders die Kurdinnen und Kurden, welche schon immer für ihre Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen hatten und sowohl im Nahen und Mittleren Osten als auch in der Diaspora starken Repressionen ausgesetzt sind.
Seit Jahrzehnten stehen kurdische Institutionen sowie politische und kulturelle Aktivitäten in Deutschland im Visier der Behörden. Personen, die sich mit Kurdinnen und Kurden solidarisieren, werden ebenfalls von der Kriminalisierungspolitik erfasst. Gegen unzählige Privatpersonen laufen derzeit Strafverfahren aufgrund von Besitz und Zeigen von Fahnen.
Zum Hintergrund des Flaggenverbots
Das durch den ehemaligen Innenminister De Maiziere in Umlauf gebrachte intensivierte Flaggenverbot von kurdischen Organisationen, Verteidigungseinheiten und Gruppierungen, war eine direkte Antwort auf die Forderungen Erdogans, kurdischen Aktivismus in Deutschland zu bekämpfen und damit zusammenhängend Angriffe auf Kurd*innen, antifaschistische, antikapitalistische und feministische Strukturen zu legitimieren.
Infolgedessen wurden bisher etliche Demonstrationen aufgelöst und massiv durch die Polizei angegriffen. Es kam zu hunderten von Anzeigen, Einkesselungen, Verhaftungen und gewaltsamen Übergriffen auf Demonstrierende. Ebenfalls reihten sich in den vergangenen 2 Jahren zahlreiche Polizeirazzien in kurdischen Einrichtungen mitsamt massiver Beschädigung der Inneneinrichtung und Hausdurchsuchungen politischer Aktivist*innen aneinander.
Die in Deutschland immer weiter zunehmende Kriminalisierung von Kurd*innen und ihrer Organisationen sowie Symbole ist gestützt auf einer systematischen Vernichtungspolitik, die besonders von der Türkei und ihren Bündnispartnern getragen wird. Demnach leistet die Bundesregierung den Forderungen der Türkei unter der faschistischen Herrschaft Erdogans bedingungslosen Gehorsam.
Die vorliegende Einschüchterungspolitik hat eine neue Dimension angenommen
Mit dem Verbot des langen Marsches in Karlsruhe, haben sich die deutschen Behörden erneut zum Handlanger des türkischen Staates gemacht. Dass der körperliche Übergriff der Polizei auf kurdische Demonstrierende unmittelbar nach der Razzia in zwei kurdischen Verlagen stattfand, bestätigt, dass die deutschen Behörden auf Wunsch Ankaras agieren und die anhaltenden Repressionen gegen die kurdische Bevölkerung in Deutschland systematisch verstärken werden.
Auch die Entscheidung, einen Buchverlag zu verbieten und tausende Bücher zu beschlagnahmen, lässt Erinnerungen an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte wach werden. Die Verlage brachten Bücher über kurdische Geschichte und Sprache heraus und nun werden durch die Verbote die kulturellen Rechte der kurdischen Minderheit in Deutschland mit Füßen getreten. Mit diesem Vorgehen in Deutschland soll nun auch das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit der Kurd*innen beschnitten werden.
Solche Verhältnisse kannte man bisher nur aus der Türkei
Während die Bundesregierung weiterhin über Verfassungswidrigkeiten, Flaggen-, Demo- und Parolenverbote diskutiert und Kurdinnen und Kurden politisch verfolgt, wird der IS im Nahen und Mittleren Osten derzeit militärisch vollständig eliminiert. Die Reste der Extremistenmiliz sind nur noch auf einem etwa einen Quadratkilometer großen Gebiet eingeschlossen und werden derzeit bei der Offensive von der kurdisch-angeführten QSD (SDF) scharf ins Visier genommen.
Und nun – während kurdische Kämpferinnen und Kämpfer in Syrien gegen das letzte Widerstandsnest des IS vorrücken, hat Innenminister Horst Seehofer kurdische Verlage in Deutschland verboten. Die Bundesregierung stellt somit wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass sie ihre Interessenpolitik mit der Türkei über die Grundrechte von in Deutschland lebenden Kurd*innen stellt. Dass diejenigen kriminalisiert werden, die für einen alternativen Weg im Nahen und Mittleren Osten einstehen, nämlich für Basisdemokratie, Geschlechterbefreiung und ein pluralistisches Zusammenleben und gleichzeitig eine weltweit greifende Gefahr wie den IS niederschlagen, zeigt zudem dramatische Parallelen zu Erdogans Unterdrückungspolitik.
Die gesamte Weltöffentlichkeit sieht seit Jahren den Erfolg der YPG, YPJ und PKK gegen den sogenannten Islamischen Staat. Der Dank dafür? Kriminalisierung, systematische Repression und politische Verfolgung!
Die aktuellen Angriffe des deutschen Staates fallen zudem in dieselbe Zeit, wie die Hungerstreikaktionen von über 350 Menschen gegen die Isolationsbedingungen Öcalans
Und genau dies macht deutlich, dass der deutsche Staat gegenüber den Kurd*innen dieselbe Politik verfolgt wie der türkische Staat.
Aktive Kriegspartnerschaft, Demonstrationsverbote und der Kampf der BRD gegen das Abbild Öcalans
Dass die Kriminalisierung von kurdischen Bewegungen, Parteien, Flaggen, Persönlichkeiten und Aktivist*innen radikal voranschreitet und dass zunehmend regierungskritische Stimmen verboten werden, zeigt eine offensichtliche Legitimation der seit Jahrzehnten andauernden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei!
Der türkische Staat versucht seit Jahrzehnten, die kurdische Identität und die kurdische Kultur auszulöschen. Die kurdische Sprache und Musik werden verboten und verfolgt. Nun hat die Bundesregierung sich mit der Razzia und dem Verbot zu einer Fortsetzung dieser menschenverachtenden Politik auf deutschem Boden entschieden.
Auch aktuell stellt die BRD ihre schmutzigen Deals mit dem faschistischen AKP-Regime deutlich unter Beweis und steht der Türkei als aktiver Kriegspartner zur Seite.
Wir erinnern:
Deutsche Unternehmen sind in Afrin Kriegspartei und Teil eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gewesen!
Selbst nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin Ende Januar 2018, hat die BRD Rüstungslieferungen in Millionenhöhe an den Terrorpartner Türkei genehmigt. Allein in den ersten fünfeinhalb Wochen der türkischen Operation ‚Olivenzweig‘ wurden 20 Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im Wert von 4,4 Millionen Euro erteilt. Neben Waffen wie Gewehre, Panzer, Mörsergranaten oder Raketen, wurden der Türkei für ihren völkerrechtswidrigen Einmarsch auch militärische Fahrzeuge und andere deutsche Rüstungsgüter zur Verfügung gestellt.
Demnach führte die BRD gemeinsam mit der Türkei und ihren radikalislamistischen Verbündeten des IS, der FSA und Al-Qaida erneut einen blutigen Krieg in kurdischen Regionen und schlug hierzulande stattfindende Demonstrationen mit Gewalt nieder.
Wenn deutsche Panzer über die syrische Grenze rollen, mit deutschen Gewehren die Zivilbevölkerung und Kämpfer*innen massakriert werden, türkische Soldaten mordend und vergewaltigend durch die Stadt ziehen und gleichzeitig deutsche Geheimdienste und Repressionsbehörden nichts Besseres zu tun haben, als jeglichen Widerstand dagegen zu verfolgen, Flaggen zu verbieten, Demonstrationen niederzuschlagen, Vereine zu stürmen und kurdische Aktivist*innen und Politiker*innen zu verhaften, dann ist die Rede von faschistischer Gewalt!
Und da muss allen klar sein, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf Afrin und ein ziviles Massaker nur durch die tatkräftige deutsche Unterstützung Realität werden konnte. Besonders die SPD und CDU sprachen der AKP Mut für diese kriegerische Eskalation zu. Bis heute schweigt die Bundesregierung zum gemeinschaftlichen Angriffskrieg mit der Türkei auf Afrin und kriminalisiert weiterhin die kurdische Seite.
Jedem sollte bewusst sein, dass in diesen Kriegen vor allem deutsche Waffen zum Einsatz kommen und die Türkei mit ihrem Krieg in Rojava radikalislamistische Gruppen wie den IS, die Al-Nusra, FSA und Al-Qaida in Syrien wieder stärkt und die Selbstverwaltung der kurdischen Bevölkerung ins Visier nimmt und systematische Massaker vornimmt. Mit diesen von der Türkei gesteuerten Maßnahmen gegenüber linken Kurd*innen in Deutschland, macht sich die BRD zum ewigen Handlanger von Erdogan!
Aus diesem Grund sehen wir die gesamte deutsche Öffentlichkeit in der Verantwortung für die Besatzerangriffe der Türkei auf Rojava!
All diese Art von Kriminalisierungen sollen Kurd*innen und Solidarisierende gefährlich erscheinen lassen und eine Entsolidarisierung und Marginalisierung herbeiführen. Ein zunehmend angstbesetztes Klima wird dazu genutzt, um die Repressionsmöglichkeiten weiter auszubauen und durch gezielte Provokation ein Bild eines aggressiven Mobs zu erzeugen. Hiermit soll eine Legitimation für ein generelles Verbot und gewaltsames Vorgehen gegen die Kurd*innen in Form von Prügelattacken, Verhaftungen und Pfefferspray-Einsätzen geschaffen werden.
Diese Interessenpolitik Deutschlands bewerten wir als eine kaltblütige und gefährliche Legitimation der jahrzehntelangen Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan.
Und deshalb muss Solidarität nun praktisch werden. Erdoğans gezielter Krieg gegen ethnische, politische und religiöse Minderheiten in der Türkei ist eine systematische Menschenjagd und richtet sich gegen uns alle. Und da genügt bloßes Meckern nicht – es ist positioniertes Handeln und ein aufklärender Einblick hinter die Fassaden des herrschenden Systems und die von Parteien wie der CDU, SPD und AFD gefragt.
Wir verurteilen diese Interessenpolitik und die tobenden Übergriffe auf Schärfste, fordern die sofortige Beendigung der deutsch-türkischen Kooperation und das Ende der Kriminalisierung kurdischer Aktivist*innen.
Wir äußern noch weitere unzählige Male:
Wir lassen uns durch die voranschreitende Repressionspolitik weder verbieten noch davon abhalten, weiterhin die Stimmen aller Kämpfenden an die Öffentlichkeit zu tragen. Daher rufen wir alle solidarischen Kräfte dazu auf, kommenden Samstag mit uns gemeinsam an der Großdemonstration in Straßburg teilzunehmen und ein Zeichen gegen Unterdrückung, Faschismus und Krieg zu setzen. Lasst uns besonders zu diesen Zeiten des kritischen Hungerstreiks und den Aufständen in allen Teilen Kurdistans gemeinsam auf die Straßen und die Forderungen der Widerstandleistenden in die Öffentlichkeit tragen.
Wir schließen uns den Forderungen der Hungerstreikenden zweifellos an: Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan!“