„Der Kampf für Demokratie wird mit oder ohne HDP weitergehen“

Die HDP vertritt über sechs Millionen Menschen in der Türkei und ist akut von einem Verbot bedroht. Die außenpolitischen Sprecher:innen Feleknas Uca und Hişyar Özsoy appellieren an die internationale Solidarität.

Am 7. Juni 2021 hat der Generalstaatsanwalt des türkischen Kassationshofs beim Verfassungsgericht eine überarbeitete Anklageschrift im Verbotsverfahren gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) eingereicht. Die Ko-Sprecher:innen der HDP für auswärtige Angelegenheiten, Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, appellieren angesichts des drohenden Verbots an die internationale Solidarität.

Zum Hintergrund teilen Uca und Özsoy mit: „Der Generalstaatsanwalt hatte erstmals am 17. März 2021 beim Verfassungsgericht einen Antrag auf Schließung des HDP gestellt. Am 31. März führte die Generalversammlung des Verfassungsgerichts eine erste Prüfung der Anklageschrift durch, stellte Verfahrensmängel fest und beschloss eine Rückgabe an die Generalstaatsanwaltschaft, um diese Mängel zu beheben. Die überarbeitete Anklageschrift fordert nicht nur die Schließung der Partei, sondern wie die ursprüngliche auch ein Politikverbot für fast 500 HDP-Politiker:innen und das Einfrieren der Bankkonten der Partei.

Der Generalstaatsanwalt stützt die meisten seiner Vorwürfe gegen die HDP auf die Kobanê-Proteste, für die es ein laufendes Gerichtsverfahren gegen HDP-Politiker:innen, einschließlich der ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, über ihre Rollen bei den Protesten von 2014 zur Unterstützung von Kobanê gibt. Die Vorwürfe stützen sich vor allem auf einen Tweet des HDP-Vorstands vom 6. Oktober 2014, in dem zu Protesten in Solidarität mit den Menschen in Kobane gegen den IS und gegen das Embargo der Türkei gegen Kobanê aufgerufen wurde. Während der Proteste wurden über fünfzig Menschen getötet; die überwiegende Mehrheit von ihnen waren HDP-Mitglieder oder Sympathisanten, die durch Schüsse der türkischen Polizei ums Leben kamen. Während der Proteste sagte Innenminister Efkan Ala dem HDP-Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder, dass er ,widerspenstige Elemente innerhalb der Polizei nicht kontrollieren' könne.

Darüber hinaus haben HDP-Abgeordnete mehrere Vorschläge zur Einrichtung einer parlamentarischen Kommission zur Untersuchung der Proteste und Morde vorgelegt, aber diese Vorschläge wurden von der regierenden AKP/MHP-Koalition abgelehnt. Stattdessen werden HDP-Politiker:innen wegen der Proteste und der Morde vor Gericht gestellt und der Partei droht ein Verbot. Eine Untersuchung der wahren Natur der Proteste würde einen klaren Hinweis darauf liefern, dass sowohl das Kobanê-Verfahren als auch das Verbotsverfahren politisch motiviert sind.“

Uca und Özsoy weisen auch auf den Zeitpunkt der neuen Entwicklung hin. Es sei „ziemlich symbolisch, dass der Staatsanwalt seine überarbeitete Anklageschrift am sechsten Jahrestag der Parlamentswahlen vom 7. Juni 2015 beim Verfassungsgericht eingereicht“ habe. Der erfolgreiche Einzug der HDP ins Parlament habe die AKP zum ersten Mal seit 2002 daran hinderte, eine Mehrheitsregierung zu bilden. Das Verbotsverfahren bezeichnen die außenpolitischen Sprecher:innen der HDP als „der letzte Schritt des Rachefeldzugs der AKP gegen die HDP. Unfähig, sie durch faire und freie Wahlen politisch zu besiegen, versucht die AKP/MHP-Koalition, die HDP entweder zu zerstören oder sie mit Hilfe des Verfassungsgerichts handlungsunfähig zu machen“

Weiter heißt es in der Erklärung: „Die HDP vertritt über sechs Millionen Menschen, und ein Verbot der Partei bedeutet, den demokratischen Willen dieser Menschen zu ignorieren. Die Menschen, die wir vertreten, werden sicherlich ihren Kampf für Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden fortsetzen, mit oder ohne die HDP als institutionelle Einheit. Die Schließung der HDP bedeutet jedoch einen weiteren schweren Schlag für die demokratische Zukunft des Landes und untergräbt die Aussichten auf eine friedliche Lösung der langwierigen kurdischen Frage.

Wir laden die internationale demokratische Gemeinschaft erneut dazu ein, ihre Solidarität auszudrücken und gegen diese unverschämten Versuche vorzugehen, die HDP zu zerstören und den Willen von Millionen Menschen zu verleugnen.“