Den Tod für das Leben in Kauf nehmen

Sevican Yaşar hat 2019 am Hungerstreik für die Aufhebung der Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan teilgenommen. Diese Aktionsform bedeute, „den Tod für das Leben in Kauf zu nehmen“, erklärt sie.

Die Politikerin Sevican Yaşar von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) fordert Unterstützung für den aktuellen Hungerstreiks in der Türkei. Die Menschen müssten sich gegen die Unterdrückung und den umfassenden Angriff des Regimes auf die Gesellschaft stellen. Dazu müsse die Angst überwunden werden, sagt sie.

Justizministerium hat bisher nicht offiziell auf Hungerstreik reagiert

Seit dem 27. November 2020 findet ein unbefristeter Hungerstreik in den türkischen Gefängnissen statt. Initiiert von den politischen Gefangenen aus PKK und PAJK beteiligen sich tausende Insassen in Fünftagesschichten an dem Hungerstreik. Die Gefangenen fordern die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans und ein Ende der lebensbedrohlichen Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen. Das Justizministerium hat bisher nicht auf die Forderungen der Gefangenen reagiert und keine Erklärung zum Thema abgegeben. Gefangene warnen davor, den Hungerstreik in eine Aktion ohne Ablösung umzuwandeln, sollten ihre Forderungen nicht gehört werden. In 2018/2019 konnte die Isolation Öcalans durch einen Hungerstreik unter der Führung von Leyla Güven durchbrochen werden. Sevican Yaşar nahm an dem 200-tägigen Hungerstreik damals teil. Sie äußert sich nun im ANF-Gespräch über die Aktionsform des Hungerstreiks und die aktuell stattfindende Widerstandsaktion.

Angst ist ein menschliches Gefühl, durch Feigheit aber verliert der Mensch“

„Hungerstreiks werden immer mit dem Tod in Verbindung gebracht, aber eigentlich nehmen die Menschen den Tod für das Leben in Kauf“, sagt Yaşar und fährt fort: „Es braucht auch viel Kraft von draußen. Diese Kraft aufzubauen, funktioniert nur auf der Grundlage der Überwindung der Angst. Das Wesen der Forderung ist Frieden und niemand sollte diese als ‚Terror‘ abstempeln dürfen. Angst ist ein menschliches Gefühl, aber wenn sie sich in Feigheit wandelt, dann verliert der Mensch. Es gibt viele Alternativen für uns draußen. Das Regime mag so heftig angreifen wie es kann, aber dies ist auch nur ein Ausdruck seines bevorstehenden Zusammenbruchs. Es regiert durch Gewalt und greift auf allen Ebenen an, aber wir haben Recht und sind stark.“

Isolation geht weit über Imrali hinaus“

Zur Isolation sagt Yaşar: „Wenn du etwas nicht verteidigen kannst, dann bedeutet das auch Isolation. Das ist die aktuelle Form von Isolation. Wir sehen auch, dass die Isolation als Vereinzelungspolitik betrieben wird. Die Isolation hat vielleicht auf Imrali begonnen, aber sie ist schon lange nicht mehr darauf beschränkt. Sie richtet sich gegen jedes Individuum. Man muss sich entschlossen dagegen stellen.“

Mit der Aktion können große Verluste einhergehen“

Zum aktuellen Hungerstreik unter Pandemiebedingungen warnt Yaşar: „Während es selbst unter normalen Bedingungen schwer ist, die Gesundheitsversorgung zu erhalten, ist dies für die Gefangenen noch viel schwerer. Mit der Aktion können große Verluste einhergehen.“