Der Juristenverein ÖHD hat in Amed (tr. Diyarbakir) die Beendigung der Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali gefordert und auf den Hungerstreik politischer Gefangener in der Türkei aufmerksam gemacht. An der Kundgebung vor dem Menschenrechtsmahnmal im Koşuyolu-Park nahmen neben Juristinnen und Juristen auch Vertreter*innen der Parteien HDP und DBP sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen teil.
Muharrem Şahin, Ko-Vorsitzender des ÖHD in Amed, erklärte auf der Kundgebung, dass in der Türkei Menschen in den Hungerstreik treten, weil sie die Anwendung des geltenden Rechts durchsetzen wollen. „Der Grund für den laufenden Hungerstreik ist die Isolationspolitik gegen Herrn Abdullah Öcalan und die anderen Gefangenen im Strafvollzug auf Imrali. Eine Auswertung der vorliegenden Daten und der im Verlauf des Jahres veröffentlichten Berichte zivilgesellschaftlicher Organisationen zeigt, dass in den Vollzugsanstalten keine Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie getroffen werden. Die Pandemie wird vielmehr vom Vollzugsregime als Gelegenheit genutzt, um alle Gefängnisse zu isolieren“, so der Ko-Vorsitzende des ÖHD in Amed.
Hungerstreik mit eindeutiger Forderung
Die Hungerstreikenden hätten nur eine Forderung, sagte Şahin weiter: „Die Aufhebung der Isolation.“ Wenn diese Forderung nicht erfüllt werde, seien Gesundheitsschäden zu befürchten, für die die Regierung verantwortlich sei. Das Justizministerium und die involvierten Behörden müssten daher sofort handeln.
Obwohl der Ausnahmezustand offiziell beendet sei, seien die Auswirkungen in den Gefängnissen weiterhin spürbar, führte Şahin weiter aus. Als Beispiel nannte er das 3. T-Typ-Gefängnis Diyarbakir, in dem gefoltert werde wie zu Zeiten des Militärputsches von 1980. „In der Pandemie hätten vorrangig in den Haftanstalten Maßnahmen getroffen werden müssen, aber das ist nicht geschehen. Im Gegenteil, die Rechte der Gefangenen werden willkürlich verletzt.“
Das Gesetz gilt für alle
Şahin ging auch darauf ein, dass aus Politik und Justiz die Missachtung von Entscheidungen des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angekündigt wird. „Die Urteile des EGMR müssen ohne Wenn und Aber umgesetzt werden“, forderte der Jurist. Andernfalls drohe der Gesellschaft ein nicht wieder gut zu machender Schaden. „Gesetze und Gerichtsurteile sind für alle verbindlich. Die Behörden dürfen Recht und Gesetz nicht willkürlich außer Funktion setzen. Die Isolation auf Imrali muss beendet werden, Herr Öcalan und die anderen Gefangenen müssen von ihren gesetzlich vorgeschriebenen Rechten profitieren können. Sich an die Rechtsprechung zu halten, ist keine Ermessenssache, sondern verpflichtend. Alle müssen sich an das Recht halten.“
Dementsprechend müsse auch mit dem Hungerstreik umgegangen werden, sagte Şahin und forderte das Justizministerium zur Berücksichtigung der Rechtslage auf.