Demonstration in Genf gegen Imrali-Isolation

Die kurdische Gemeinde in Genf hat mit einer Demonstration vor die Vertretung des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte gegen die Isolation von Abdullah Öcalan protestiert und Konsequenzen für die Führung in Ankara gefordert.

Mit einer Demonstration vor das Büro des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf protestierten Kurdinnen und Kurden am Donnerstag gegen die andauernde Isolation von Abdullah Öcalan. Der 74 Jahre alte Vordenker und Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) befindet sich seit 24 Jahren in politischer Geiselhaft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, seit mehr als zwei Jahren gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Das kurdische Gemeindezentrum (CDK) in Genf, das zu der Demonstration aufgerufen hatte, fordert die sofortige Freilassung Öcalans.

„Die Isolation auf Imrali ist offenkundig rechtswidrig und verstößt gegen das Folterverbot“, sagte der CDK-Vorsitzende Latif Çelebi bei einer kurzen Auftaktkundgebung auf dem Place de la Navigation. Ein solcher Verstoß müsste eigentlich auf Ebene des Europarats, des Antifolterkomitees und von Seiten der internationalen Staatengemeinschaft zu Konsequenzen führen. Doch es geschehe kaum etwas, kritisierte Çelebi. Dabei habe der UN-Menschenrechtsausschuss die Regierung in Ankara bereits mehrfach aufgefordert, die Isolation aufzuheben und Anwaltsgespräche unverzüglich und ohne Einschränkungen zuzulassen.


Den Zustand der Beunruhigung und Ungewissheit bei der kurdischen Öffentlichkeit angesichts der Abwesenheit von Informationen aus Imrali verschärft seit Tagen auch der Hinweis der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), dass Abdullah Öcalan mehrere Todesdrohungen in Form von Briefen erhalten hat. Çelebi bezeichnete diesen Umstand als „Missachtung des Willen des kurdischen Volkes”, das den PKK-Begründer als seinen politischen Repräsentanten und Akteur mit einem Lösungsplan für die Kurdistan-Frage – der „Mutter aller Probleme” in Nahost – begreift. „Die Abschottung Abdullah Öcalans von der Öffentlichkeit bringt daher auch schwerwiegende politische und soziale Folgen mit sich. Solange die kurdische Frage ungelöst bleibt, wird es keinen Demokratisierungsprozess in der Türkei geben. Der Würgegriff, in dem sich die Gesellschaft befindet, wird immer enger werden.”

Nach der Ansprache zog die Demonstration laut und kämpferisch bis zum etwa 600 Meter entfernten Palais Wilson. Der ehemalige Palast in der Nähe des internationalen Viertels beherbergt das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR). Hier wurde ein Dringlichkeitsappell des Nationalkongress Kurdistan (KNK) verlesen, in dem die UNO aufgefordert wird, eine Delegation zu Abdullah Öcalan zu entsenden. Alle Staaten und politischen Kräfte seien zudem aufgerufen, den juristischen, politischen und diplomatischen Druck auf die Türkei zu erhöhen.

Die Demonstrierenden setzten auch ein Zeichen für Mazlum Dağ und Abdurrahman Er. Die beiden Aktivisten befinden sich in der Kurdistan-Region Irak (KRI) in Haft, ihnen droht die Hinrichtung. Sie werden beschuldigt, am 17. Juli 2019 den türkischen Vizekonsul und Geheimdienstverantwortlichen Osman Köse sowie zwei weitere Personen in einem Luxusrestaurant in Hewlêr (Erbil) erschossen zu haben. 2020 wurden sie deshalb zum Tode verurteilt. Seit Mitte Mai protestieren Dağ und Er mit einem Hungerstreik gegen das Urteil sowie unmenschliche und rechtswidrige Haftbedingungen im Gefängnis. Auf Aufruf des kurdischen Europadachverbands KCDK-E finden am morgigen Freitag aus Protest gegen die Inhaftierung der Aktivisten Kranzniederlegungen vor diplomatischen Vertretungen der KRI, des Irak sowie der UNO in europäischen Ländern, Kanada und Australien statt. Çelebi rief die kurdische Community der Schweiz dazu auf, sich an den Aktionen zu beteiligen.