Corona: Türkei meldet fast 145.000 Infizierte

In der Türkei haben sich offiziellen Angaben zufolge mehr als 144.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Die vom neuen Vollzugsgesetz ausgeschlossenen politischen Gefangenen kämpfen derweil ums Überleben.

In der Türkei haben sich offiziellen Angaben zufolge nun mehr als 144.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Gesundheitsminister Fahrettin Koca meldete am Abend im Kurznachrichtendienst Twitter, die Zahl der bestätigten Fälle sei innerhalb der vergangenen 24 Stunden um weitere 1635 angestiegen und liege jetzt bei 144.749. Zudem seien weitere 55 Menschen an der neuartigen Krankheit Covid-19 verstorben. Insgesamt gibt es den offiziellen Zahlen zufolge damit 4.007 Tote in der Türkei. Erholt haben sich demnach bisher 104.030 Menschen.

Den viel zitierten Daten der Johns-Hopkins-Universität in den USA zufolge liegt die Türkei aktuell auf Platz neun der am schwersten vom Virus betroffenen Länder. Ab dem kommenden Samstag gilt in 15 Städten und Provinzen, darunter Istanbul, Ankara, Izmir und Wan (türk. Van) ab Mitternacht eine viertägige weitgehende Ausgangssperre. Die zur Eindämmung des Coronavirus erlassenen Reisebeschränkungen in weiteren 16 Provinzen wie Antalya, der südtürkischen Grenzprovinz Hatay, Mêrdîn (Mardin) und Amed (Diyarbakir) wurden zwischenzeitlich wieder aufgehoben.

Ärzte kritisieren die Lockerungen der Maßnahmen gegen die Pandemie und halten die Normalisierung für verfrüht. Zudem würden die offiziellen Fallzahlen viel zu niedrig angesetzt. Dr. Halis Yerlikaya, Mitglied im Zentralrat des Türkischen Ärzteverbands (TTB), erklärte Anfang der Woche gegenüber ANF, dass die Anzahl der tatsächlichen Infektionsfälle viel höher sei als vom Gesundheitsministerium an jedem Abend in den sozialen Medien angegeben. Im Vergleich zu den offiziellen Angaben seien die vom Ärzteverband erhobenen Daten vier bis fünf Mal höher. 

Rapider Anstieg von Corona-Infizierten in Wan

Gerade in der an den Iran/Ostkurdistan angrenzenden nordkurdischen Provinz Wan liegt die Zahl der Fälle mit hoher Wahrscheinlichkeit weit höher. Laut offizieller Angaben gibt es in Wan 380 aktive Corona-Fälle (Stand 13. Mai), 44.000 Menschen stehen unter Quarantäne und acht Personen wurden als Corona-Tote erfasst. Dennoch wurden die Friseure und Einkaufszentren geöffnet. Die mangelnden Maßnahmen und die von der Regierung zu niedrig ausgegebenen Zahlen führen dazu, dass viele Menschen gerade in den Stadtzentren die Gefahr nicht mehr ernst nehmen und ohne Schutzmasken herumlaufen sowie Abstandsregeln missachten.

Gefangene kämpfen ums Überleben

Die zehntausenden politischen Gefangenen in der Türkei, deren vorzeitige Freilassung durch das neue Vollzugsgesetz verhindert wird, sind nach wie vor der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert und kämpfen ums Überleben. Erst am Mittwoch warnte der Menschenrechtsverein IHD wieder wegen der vollkommen unzulänglichen Schutzmaßnahmen in den Gefängnissen vor einem Massensterben. Gefangenenangehörige, Rechtsanwälte und zivilgesellschaftliche Organisationen haben dem IHD Informationen übermittelt, nach denen das Gefängnispersonal bei Zellendurchsuchungen oder bei der Essensausgabe weder Masken noch Handschuhe trage und auch den Gefangenen keine Mittel zum Schutz vor der Pandemie aushändige. Die Gefangenen erhielten nur ein bisschen Seife und Waschwasser, was als Maßnahme gegen Corona gelte, sagte Nuray Çevirmen vom Vorstand des IHD. Hinzu käme, dass Gefangene seit Wochen nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden.