Brutale Festnahmen bei Protest gegen Hausabriss

Bei Protesten gegen den Abriss von Wohnhäusern sind in einem kurdisch geprägten Viertel in Istanbul über 100 Menschen festgenommen worden.

Gentrifizierung

Bei Protesten gegen den Abriss ihrer Häuser sind in Istanbul mehr als hundert Menschen gewaltsam festgenommen worden. Die Polizei setzte Schlagstöcke, Gummigeschosse und Tränengas gegen die teilweise betagten Protestierenden ein und verletzte mehrere von ihnen, offenbar auch mehrere Minderjährige. Die Juristenvereinigung ÖHD sprach von schwerwiegender körperlicher Misshandlung in einigen Fällen und kündigte Konsequenzen an.

Mit einer ganzen Flotte an Abbruchbaggern fuhr das städtische Abbruchunternehmen der AKP-geführten Kreisverwaltung am Donnerstag im Bezirk Arnavutköy vor, um 35 illegal gebaute Häuser abzureißen. Dabei war der von den Behörden angeordnete Abriss laut dem Istanbuler ÖHD-Verband gerichtlich gestoppt worden. Die Kreisverwaltung hatte den Eigentümer:innen eine Abrissanordnung zugestellt: Die im Viertel Imrahor hochgezogenen „Gecekondu“ – ein „über Nacht hingestelltes Haus“ – hätten keine Baugenehmigung und müssten deshalb abgerissen werden, aber auch wegen des Aktionsplans für urbane Transformation. Die Anordnung sei rechtswidrig, entschied dagegen das Verwaltungsgericht.

Für die Behörde bestand dennoch kein Grund, von ihrem Zerstörungsplan abzusehen. Die Bewohnenden setzten sich massiv gegen den Abriss ihrer Häuser zur Wehr. Bei dem Versuch, die Abbruchmaschinen aufzuhalten, verbarrikadierten sich einige der Eigentümer:innen auf den Dächern und Terassen ihrer Häuser, andere lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. „Unsere Häuser werden abgerissen, weil wir Kurden sind“, sagte ein Betroffener. Tatsächlich handelt es sich bei einer Vielzahl der Bewohnenden von Gecekondu-Vierteln, wie die oft mangels bezahlbaren Wohnraumes illegal ohne Bodenbesitztitel und Baugenehmigung auf unerschlossenem Land gebauten Siedlungen im Türkischen genannt werden, um Vertriebene aus den kurdischen Provinzen.

Noch vor der Kommunalwahl Ende März hatte die AKP den Abriss der Häuser in Imrahor ausgeschlossen und damit geworben, dass es für die Gecekondus nachträgliche Baugenehmigung geben würde. Dass es sich dabei nur um ein Manöver für den Wahlkampf handelte, erscheint offensichtlich. Die Polizei nahm bei den gestrigen Protesten insgesamt 104 Personen fest, darunter eine unbekannte Zahl an Kindern und Jugendlichen. Während die Minderjährigen bereits kurz darauf wieder freigelassen wurden, kamen die übrigen Festgenommenen erst nach mehreren Stunden mit auf dem Rücken gefesselten Händen, einer staatsanwaltlichen Befragung und Anzeigen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt auf freien Fuß.