„Faschistische Überzeugungen und die daraus resultierenden Bewegungen sind seit jeher die abscheulichste Zuspitzung kapitalistischer Systeme. Nicht nur in Deutschland und Europa. So finden sich auch hierzulande nicht mehr nur deutsche Neonazistrukturen und Kameradschaften“, heben antifaschistische Aktivistinnen und Aktivisten der Kiezkommune Wedding und der Radikalen Linken | Berlin in ihrer erstellten Broschüre Feinde der Hoffnung – Informationsbroschüre Türkischer Nationalismus im Wedding hervor. „Mit dieser Broschüre geben wir einen groben Einstieg in die vielfältigen Organisationsstrukturen der vier größten Bewegungen am Beispiel des Berliner Bezirks Wedding“, heißt es darin.
Die Geschichte faschistischer und türkisch-islamistischer Bewegungen in Deutschland reicht bis in die 1970er Jahre zurück. In der Gesellschaft der Bundesrepublik und leider auch in linken deutschen Kreisen wird diesen Strukturen bisweilen kaum Beachtung geschenkt. Eine fatale Fehleinschätzung, wie die regelmäßigen gewaltsamen Übergriffen auf Kurd*innen, Armenier*innen, Alevit*innen, Jüd*innen, LGBTI und andere zeigen.
Um über die Aktivitäten einiger dieser Gruppierungen zu informieren und ihre Strukturen aufzudecken, haben Internationalist*innen im migrantisch geprägten Nordberliner Bezirk Wedding eine Broschüre erstellt. Beschrieben werden Vereine und Moscheen von Milli Görüş, Grauen Wölfen und deren Abspaltung ATB sowie DITIB, dem Moscheenverband der AKP.
Dabei konnten viele Aktivitäten und Zusammenhänge aufgedeckt werden. Vor allem die eher unbekannten Vereinigungen der Avrupa Türk Birliği bzw. Berlin Alperen Ocaklari (ATB) sowie die Milli-Görüş-Bewegung organisieren ein breites Spektrum von Veranstaltungen und Angeboten im Bezirk und sind fest in der Bevölkerung verankert. Jedes Jahr werden Straßenfeste mit mehreren hundert Besucher*innen im Bezirk organisiert und umfangreiche Bildungs- und Freizeitangebote für Jugendliche betrieben. Dafür erhalten sie über verschiedene ihnen nahestehende Vereine teils umfangreiche finanzielle Unterstützung von staatlichen Institutionen. So erhält die Bil-Ge Akademie e.V., die der ATB nahe steht, mehr als 72.000 Euro, um mit Jugendlichen aus „bildungsfernen Schichten“ zu arbeiten, wie das örtliche Quartiersmanagment auf seiner Webseite verkündet.
Auch wenn auf den ersten Blick die Fronten klar erscheinen, bleibt festzuhalten, dass nicht alle Personen, die die genannten Vereine und Moscheen besuchen, auch über ein geschlossen rechtes Weltbild verfügen. Für viele ist der erste Gang in diese Räumlichkeiten auch immer eine Flucht vor der gesellschaftlichen Ausgrenzung durch Rassismus und sozialer Isolation im Neoliberalismus. Ebenso spielen die eigenen oftmals patriarchalen Familienstrukturen und daraus resultierende Zwänge oder Überzeugungen eine wichtige Rolle.
Das Wissen über diese gesellschaftlichen Realitäten der lokalen Bevölkerung und auch über kulturelle, religiöse und historische Zusammenhänge bildet die Grundlage, um als politische Kraft auf Augenhöhe agieren zu können.
Neben den Rechercheergebnissen, die als Grundlage für die lokale antifaschistische Arbeit dienen sollen, haben die Aktivist*innen allerdings auch eine Bewertung der Erkenntnisse und konkrete Handlungsvorschläge formuliert, um gegen die reaktionären Umtriebe anzukommen.
So plädieren sie für den Aufbau lokaler Jugend- und Bildungskommissionen mit internationalistischer Ausrichtung, um Gegenangebote zum staatlich-sozialarbeiterischen Apparat und den Angeboten nationalistischer oder islamistischer Kräfte zu schaffen.
Vergestellt wird die Broschüre am 6. Dezember um 20.00 Uhr im Café Cralle, Hochstädter Str.10a in Berlin-Wedding.