Bozdağ: Die freie Presse soll mundtot gemacht werden

Dem Journalisten und TV-Redakteur Merdan Yanardağ drohen aufgrund seiner Äußerungen zur Haftsituation Abdullah Öcalans bis zu zehneinhalb Jahre Haft. Der YSP-Abgeordnete Bozdağ sieht in diesem Verfahren eine politische Botschaft.

Seit 15 Tagen befindet sich Merdan Yanardağ, Redaktionsleiter von TELE1 und Autor der oppositionellen Zeitung Birgün, in Haft. Dem 62-Jährigen wird „Propaganda für eine terroristische Organisation“ und das „Loben von Verbrechen und Kriminellen“ vorgeworfen, weil er öffentlich auf die im Widerspruch zum internationalen und nationalen Recht stehende Totalisolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan hingewiesen hat. Als Strafmaß droht ihm eine Freiheitsstrafe zwischen anderthalb und zehneinhalb Jahren. Der Abgeordnete der Grünen Linkspartei (YSP), Heval Bozdağ, sieht in der Verhaftung des türkischen Journalisten eine gefährliche Entwicklung. Gegenüber ANF erklärte der Politiker, dass mittlerweile sogar die Aussprache von schlichten Tatsachen mit Strafe geahndet werde.

Die Isolation betrifft auch die Presse- und Meinungsfreiheit“

Die Verhaftung von Yanardağ verdeutliche, dass sich die Isolation auf Imrali mittlerweile auf das ganze Land ausgedehnt habe, sagte Bozdağ. Während Jurist:innen und Menschenrechtler:innen weltweit die Isolation auf Imrali als rechtswidrig anprangerten, werde in der Türkei bereits die bloße Erwähnung der Isolation mit Haft bestraft. Damit solle das Verbrechen der Isolation verschleiert werden.

Gesellschaft soll von Öcalans Ideen abgeschnitten werden“

„Herr Öcalan ist keine gewöhnliche Person“, erklärte Bozdağ. „Aus diesem Grund wird die Kommunikation mit seiner Familie und seinen Anwältinnen und Anwälten unterbunden. Es geht darum zu verhindern, dass seine Ideen und Diskurse die Gesellschaft erreichen. Es ist äußerst besorgniserregend, dass nicht einmal Informationen über seinen Gesundheitszustand vorliegen. Alle sechs Monate wird eine neue Disziplinarstrafe gegen ihn verhängt, um einen Vorwand für die fortgesetzte systematische Isolation zu schaffen.“

Allen Regierungskritikern drohen Kriminalisierung und Haft“

Diese Isolation wirke sich jedoch nicht nur auf andere Gefängnisse, sondern auf die gesamte Gesellschaft aus, betonte Bozdağ und fuhr fort: „Die freie Presse ist de facto zum Schweigen verurteilt. Alle, die die Meinung der Regierung kritisieren und entsprechende Feststellungen zur aktuellen Situation treffen, werden kriminalisiert und angeklagt. Es ist bekannt, dass die Worte, die Merdan Yanardağ verwendet hat, an vielen Stellen während des Verhandlungsprozesses [2013 bis 2015] auch von der Regierung geäußert wurden. Es gibt konkrete Beispiele dafür. Wenn die Regierung selbst in den Prozess involviert ist, stellen diese Worte aus irgendeinem Grund kein Problem dar. Wenn jedoch dieselben Worte von der Opposition, der freien Presse oder der kurdischen Politik geäußert werden, werden sie sofort kriminalisiert und als Terrorakte betrachtet.“

Der einzige Weg ist Standhaftigkeit im Eintreten für die Wahrheit“

Bozdağ sieht in diesen Ereignissen einen weiteren Beweis dafür, dass von dieser Regierung keine Freiheit oder Demokratie zu erwarten ist. Stattdessen soll durch die Kriminalisierung Einzelner eine ganze gesellschaftliche Gruppe zum Schweigen gebracht werden. Der einzige Weg, dieser Regierung Einhalt zu gebieten, bestehe darin, standhaft die Wahrheit zu verteidigen, so der YSP-Abgeordnete Heval Bozdağ: „Man muss Folgendes anerkennen: Wenn die gesellschaftliche Opposition gegen Unrecht und Rechtsbruch nicht lautstark auftritt, wird es äußerst schwierig sein, diese Situation zu überwinden. Es ist die Aufgabe aller Einzelnen, den Entzug von Rechten anzusprechen, die Demokratie und universelle Rechte zu verteidigen und sich für Menschenrechte einzusetzen. Daher ist es wichtig, dass alle, die sich einem Bündnis oppositioneller Kräfte angeschlossen haben, zumindest Stellung zu der Repression gegen oppositionelle Medien beziehen. Es ist an der Zeit, die Isolation als das zu benennen, was sie ist, und entsprechend zu kritisieren. Was derzeit mit Merdan Yanardağ geschieht, ist eine Botschaft, die verdeutlicht, wie die Regierung zur Wahrheit, zur Isolation, zur Gewalt, zu den Gefängnissen und zur kurdischen Frage steht. Sie möchte damit sagen: Entweder folgt ihr meiner Politik oder ihr werdet bestraft. Die Gesellschaft und die Öffentlichkeit müssen das erkennen und entschiedenen Widerstand leisten. Es muss klar sein, dass Demokratie, Freiheit und Gleichheit in der Gesellschaft nur durch einen gemeinsamen Kampf erreicht werden können.“