Boğaziçi-Studierende stellen Strafanzeige gegen Polizei

Die im Zuge der Proteste für die Wissenschaftsfreiheit an der Istanbuler Boğaziçi-Universität in Gewahrsam misshandelten und gewalttätigen Nacktdurchsuchungen unterzogenen Studenten haben Strafanzeige gegen die Polizei gestellt.

Das Anwaltskollektiv der „Boğaziçi-Akte“ hat bei der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul Strafanzeige im Namen der Studierenden gestellt, die im Zuge der Proteste für die Wissenschaftsfreiheit an der Boğaziçi-Universität in Gewahrsam misshandelt, gewalttätigen Nacktdurchsuchungen unterzogen und mit dem Tod bedroht worden sind. Das gaben die Rechtsanwälte zusammen mit den betroffenen Studierenden am Montag vor dem Justizpalast Çağlayan im Rahmen einer Kundgebung bekannt. Unterstützt wurden sie dabei von dem HDP-Abgeordneten Musa Piroğlu.

Bereits seit Jahresbeginn protestiert in Istanbul die Studierendenschaft gegen die Aushebelung der Autonomie an der Boğaziçi-Universität. Hintergrund ist die Ernennung von Melih Bulu, langjähriger Parteigänger von Recep Tayyip Erdoğans AKP, zum Rektor der renommierten Hochschule. Gleich am ersten Tag der Proteste kam es zu massiver Polizeigewalt auf dem Boğaziçi-Campus, anschließend folgten martialische Hausdurchsuchungen an diversen Adressen, bei denen fast vierzig Studierende festgenommen wurden. Ein großer Teil wurde nach Tagen nur gegen Meldeauflagen wieder auf freien Fuß gesetzt.

„Zwangsverwalter sind kein neues Phänomen in unserem Leben. Sie existieren nicht nur an den Hochschulen, sondern in Rathäusern und vielen anderen Behörden und Institutionen, wohin sie per Dekrete manövriert wurden“, sagte der Student Azad Aksoy bei der heutigen Kundgebung vor dem Istanbuler Justizpalast. „Wir sind vor die Boğaziçi-Universität gezogen, um unsere Stimme gegen die politisch motivierten Angriffe auf die Universitätslandschaft zu erheben“, fuhr Aksoy fort.

Die Reaktion auf den Protest habe sehr deutlich die Existenzängste einiger Kreise gezeigt. Anders könnte die gewaltsame Festnahmewelle nicht erklärt werden. „Unser Widerstand hat sich inzwischen auf jeden Campus und jede Universität ausgeweitet. Dieser legitime Kampf erschüttert die Herrschenden, und er wird weitergehen“, so Aksoy. Der Student gehört im Rahmen der Proteste zusammen mit der trans Frau Yıldız Idil Şen zu den Hauptzielscheiben der türkischen Sicherheits- und Justizbehörden. Aksoy und Şen waren die einzigen der 37 festgenommenen Studierenden, bei denen die Staatsanwaltschaft die sogenannte Meldeauflage als „präventive Maßnahme“ für unzureichend betrachtet und einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls eingereicht hatte. Dieser war vom Richter jedoch zurückgewiesen worden.