Berlin: Rechter Aufmarsch am Gedenktag der Novemberpogrome

Rechte, Faschisten und Rassisten dürfen am Gedenktag der Novemberpogrome nun doch durch Berlin ziehen. Das Verwaltungsgericht hat das durch Innensenator Andreas Geisel ausgesprochene Verbot wieder aufgehoben.

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot einer rechtspopulistischen Demonstration am heutigen 9. November in der Hauptstadt aufgehoben. Damit wurde dem Eilantrag des Bündnisses „Wir für Deutschland“ stattgegeben, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Die Innenverwaltung kündigte Beschwerde an.

Zu dem rechtsextremen „Trauermarsch“ werden über tausend Teilnehmer erwartet. Der Marsch soll am Hauptbahnhof beginnen und am Reichstag enden. Innensenator Andreas Geisel hatte die am 80. Jahrestag der Pogromnacht geplante Veranstaltung verboten. Der Aufzug „würde in eklatanter Weise den Sinn und moralisch-ethischen Stellenwert dieses Gedenktages negieren“ und stelle eine gewollte Provokation „in Richtung der Opfer und ihrer Nachfahren“ dar, hatte der SPD-Politiker begründet. Das müsse sich auch eine Demokratie nicht gefallen lassen. Das Verwaltungsgericht Berlin stufte das Verbot als „offensichtlich rechtswidrig“ zurück. Der Senat hat zwar Beschwerde angekündigt, die Erfolgsaussichten dürften jedoch gering sein. Bereits am 3. Oktober hat der Ableger der rassistischen Pegida-Bewegung 1.200 Demonstranten in Berlin auf die Straße gebracht. Es droht ein Aufmarsch ähnlichen Ausmaßes. Von den neofaschistischen Demonstrationen der rechtsextremen Organisation „Wir für Deutschland“ gingen in der Vergangenheit bereits immer wieder Übergriffe aus.

Die Neonazis könnten auch wieder eine Ausweichtaktik anwenden. Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus kündigte eine Führungsperson der Neonazis an, dass die Rechtsextremen 48 Stunden vor Beginn der Veranstaltung eine zweite Versammlung mit einer Ausweichroute anmelden wollten, um Proteste durch Gegendemonstranten zu erschweren. Die Route soll angeblich durch „einen links-alternativen Stadtteil“ führen. Diese neue Strategie war zuletzt im Sommer beim Heß-Marsch zu beobachten, als nach dem gescheiterten Aufzug in Spandau anschließend hunderte Neonazis ungehindert durch Friedrichshain zogen. Insofern rufen Antifaschist*innen zur Wachsamkeit auf und bieten die Möglichkeit, die aktuellen Entwicklungen in der App „Berlin gegen Nazis“ oder per Twitter zu verfolgen.

„Sich diesem Aufmarsch entgegenzustellen ist für alle Pflicht“

So liegt die ganze Hoffnung nun auf zivilgesellschaftlichem Widerstand und Protest. Ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppen mobilisiert gegen den Aufmarsch. Um den Auftaktort der Demonstration herum sind viele Gegenkundgebungen geplant. In dem Aufruf verschiedener Gruppen heißt es: „Die am 9. November 1938 von der SA und ihren Helfer*innen aus der Bevölkerung begangenen Verbrechen sind weder relativierbar noch umdeutbar. Die Polizei des Deutschen Reiches sah weg, während Wohnungen zerstört, Synagogen niedergebrannt, hunderte Jüd*innen misshandelt, gedemütigt und ermordet wurden. Im Anschluss wurden tausende jüdische Menschen systematisch in Konzentrationslagern inhaftiert. Es folgte die Deportation und Ermordung der europäischen Jüd*innen, die Shoah. Ein Nazi-Aufmarsch an diesem Tag in der Berliner Innenstadt ist eine Verhöhnung aller Opfer der Shoah. Sich diesem Aufmarsch entgegenzustellen, ist gerade in Zeiten des wiedererstarkenden Antisemitismus für alle Pflicht.“

Eine Karte mit den geplanten Gegenkundgebungen kann hier gefunden werden: