Der Rechtshilfefonds Azadî e.V. macht auf den Fall von Heybet Şener aufmerksam, der am Mittwoch während eines Termins im Landratsamt Erding festgenommen wurde und sich in Abschiebehaft am Flughafen München befindet. Dem 31-jährigen Kurden droht bereits am Freitag die Abschiebung in die Türkei. Dort erwarten ihn mehrere politisch motivierte und nicht rechtsstaatliche Strafverfahren sowie Gefängnishaft und möglicherweise auch Folter.
Azadî teilt dazu mit: „Mittwochmorgen hatte Heybet Şener im Landratsamt Erding einen Termin zur Verlängerung seiner Duldung wahrgenommen. Sein Antrag auf Asyl war zuvor abgelehnt worden, was die Behörde mit rechtsstaatlichen Standards begründete, die angeblich in der Türkei eingehalten würden.
In der Türkei war Heybet Şener allerdings im Zuge politisch motivierter Strafverfahren zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein, trifft viele Oppositionelle, nicht nur, aber insbesondere Kurd:innen. In der Vergangenheit war er bereits in Polizeigewahrsam gefoltert worden. Deshalb flüchtete er vor der anhaltenden politischen Verfolgung und den Menschenrechtsverletzungen nach Deutschland, als er von einem Haftbefehl erfuhr, der wegen weiterer Vorwürfe, die sich auf regierungskritische Äußerungen in Sozialen Medien beziehen, erlassen worden war.
Seit Sommer 2018 lebt Heybet Şener in Bayern und hat zeitweise in einem Bauunternehmen in München gearbeitet, bis dies die Ausländerbehörde untersagte. Statt seine Duldung zu verlängern, ließ ihn die Behörde nun festnehmen und in Abschiebehaft am Münchener Flughafen bringen.“
Hungerstreik gegen drohende Abschiebung
Nach Angaben von Azadî ist Heybet Şener am Donnerstagmorgen in einen Hungerstreik getreten, um die Abschiebung zu verhindern, die ihm bereits morgen Mittag droht. Unterstützer:innen gehen davon aus, dass die Abschiebung mit dem Linienflug TK7739 der Turkish Airlines um 13.45 Uhr stattfinden soll.
Aktuell setzen sich die Parlamentarierinnen Nicole Gohlke (MdB, DIE LINKE) und Gülseren Demirel (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) für einen Stopp der Abschiebung und eine Bleibeperspektive für Heybet Şener ein. Nicole Gohlke betont, dass die kurze Zeit zwischen Festnahme und Abschiebung juristische Maßnahmen und zivilgesellschaftlichen Widerstand unmöglich machen soll, da die Landesregierung wisse, dass die Abschiebung auf wackeligen Füßen stehe.
Azad Yusuf Bingöl, Mitglied des Migrationsbeirats München, hatte gestern als erster über die Festnahme Heybet Şeners berichtet und zwischenzeitlich eine Petition für ihn beim Bayerischen Landtag eingereicht, um die Abschiebung noch zu verhindern. Unterstützer:innen planen derzeit öffentlichen Protest gegen das Vorgehen der Behörden.
Handlanger des AKP/MHP-Regimes
Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. kritisiert das Vorgehen der bayerischen Behörden, das eine rechtliche Überprüfung verhindern soll: „Gerade weil die Abschiebung lebensbedrohliche Konsequenzen haben kann und sowohl europäische Institutionen wie der Europarat oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch das Auswärtige Amt erhebliche Missstände in Hinsicht auf Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte in der Türkei feststellen, ist eine umfassende rechtliche Würdigung des Falls dringend geboten. Der Freistaat Bayern und Innenminister Joachim Herrmann laufen Gefahr, sich zu Handlangern des AKP/MHP-Regimes zu machen, wenn sie an der Abschiebung Heybet Şeners festhalten. Auch die Ampelkoalition sehen wir in der Pflicht, ihren Kurs gegenüber dem Regime in der Türkei zu ändern und einen generellen Abschiebestopp bei Verfahren mit politischem Bezug zu verfügen.“