AZADÎ kritisiert „unbedingten Verfolgungswillen“

Der Fall von Selahattin K. zeigt den Verfolgungswillen der deutschen Justiz gegen Aktive der kurdischen Bewegung. Dem 52-Jährigen werden organisatorische Tätigkeiten für die PKK vorgehalten, die in die Zeit des Dialogprozesses vor zehn Jahren fallen.

Auslieferung von Selahattin K. an Deutschland

Der Umgang der deutschen Justiz mit der kurdischen Bewegung bleibt von einem unbedingten Verfolgungswillen geprägt. Diesen Vorwurf erhob nun der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ mit Blick auf die Verhaftung von Selahattin K. Der 52-Jährige wurde Mitte Juni aufgrund eines europäischen Haftbefehls in Italien festgenommen und letzten Freitag an Deutschland ausgeliefert. Nach seiner Landung am Frankfurter Flughafen und der Eröffnung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs wurde er am Samstag in der JVA Dortmund in Untersuchungshaft genommen. Der Grund: Der kurdische Aktivist sei zwischen Januar 2014 und Juli 2015 als „hauptamtlicher Kader“ der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) tätig gewesen.

Kein Vorwurf zu individuellen Straftaten

Geht es nach der Bundesanwaltschaft, habe Selahattin K. als „Sektorleiter“ des „Sektors Süd 1“ die Gebiete „Darmstadt, Frankfurt a.M., Gießen, Mannheim, Nürnberg und Saarbrücken“ sowie ab Juli 2014 als Leiter des „Sektors Mitte“ die Gebiete „Bielefeld, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln und Münster“ verantwortlich geleitet. In dieser Funktion habe er insbesondere „organisatorische, personelle und propagandistische Angelegenheiten“ koordiniert. Er habe Anweisungen erteilt und befolgt, der übergeordneten „Europaführung“ berichtet, die Ausführung von Anweisungen kontrolliert sowie Veranstaltungen und Versammlungen organisiert und durchgeführt. Diese Tätigkeiten habe er als Mitglied der PKK ausgeführt, weshalb er wegen mitgliedschaftlicher Betätigung in einer sogenannten terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a/129b Strafgesetzbuch angeklagt werden soll. Individuelle Straftaten werden K. hingegen nicht vorgeworfen.

Sieben Kurden seit 2022 an Deutschland ausgeliefert

Selahattin K. ist einer von 13 Kurden, die aktuell wegen des Vorwurfs, Mitglied in der PKK zu sein, in deutscher Untersuchungs- oder Strafhaft sind. „Des Weiteren ist er der siebte Kurde, der in den letzten zwei Jahren auf Betreiben der bundesdeutschen Justiz im europäischen Ausland festgenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert wurde, um ihn hier wegen PKK-Mitgliedschaft anzuklagen“, betonte AZADÎ. Zuletzt war im Februar der kurdische Aktivist Ferit Çelik von Schweden an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden. Anfang August hatte erstmalig ein niederländisches Gericht einem deutschen Auslieferungsgesuch stattgegeben und Haftbefehl gegen den Journalisten Serdar Karakoç erlassen. Auch Belgien hat eine Aktivistin ausgeliefert, Verfahren in weiteren Ländern sind anhängig.

Kriminalisierungsstrategie ein Hindernis vor Lösung der kurdischen Frage

In Fall von Selahattin K. ist laut AZADÎ eine Sache besonders auffällig: Der Tatzeitraum, den die Bundesanwaltschaft Selahattin K. vorhält, liegt bereits zehn Jahre zurück und fällt zudem in die Zeit einer sogenannten Friedensphase, während der die PKK einen Waffenstillstand erklärt hatte und mit dem Erdoğan-Regime im Dialog stand. „Dieser Umstand sowie seine Festnahme im Ausland und die Auslieferung an Deutschland zeigen den unbedingten Verfolgungswillen der bundesdeutschen Justiz hinsichtlich der kurdischen Bewegung“, so der Rechtshilfefonds. „Die fortwährende Kriminalisierung ist ein entscheidender Baustein der Kurdistan-Politik der Bundesregierung, die einer gerechten Lösung der kurdischen Frage und einer friedlichen Beilegung des Konflikts seit Jahrzehnten im Wege steht.“

Titelfoto: „PKK-Verbot Aufheben!“-Demonstration in Berlin, November 2022 © Defend Kurdistan