Die kurdische Journalistin und Feministin Ayşe Gökkan ist in Amed (tr. Diyarbakir) verhaftet worden. Die Sprecherin der Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad) ist am Mittwoch in ihrer Wohnung in Amed festgenommen worden, nachdem in einem der zahlreichen Prozesse gegen sie Haftbefehl erlassen wurde. Heute wurde sie zur Eröffnung des Haftbefehls dem Gericht vorgeführt und anschließend in das Frauengefängnis in Amed überstellt.
In mehreren Städten in der Türkei und Nordkurdistan haben TJA-Aktivistinnen und die Demokratische Partei der Völker (HDP) gegen die Verhaftung von Ayşe Gökkan protestiert. Die Proteste wurden massiv von der Polizei behindert. Eine Kundgebung in Amed konnte nur im Vorgarten des HDP-Bezirksverbands Payas (Kayapınar) stattfinden. Die TJA-Aktivistin Beritan Önen erklärte, dass Ayşe Gökkan ihr gesamtes Leben dem Frauenbefreiungskampf gewidmet hat und dafür von den patriarchalen Machthabern in der Türkei terrorisiert wird. Die Anklage gegen sie sei mit der üblichen „Copy-Paste“-Methode der Staatsanwaltschaft zustande gekommen. „Die TJA kämpft für den Aufbau eines neuen Lebens und lässt sich nicht einschüchtern. Wir fordern erneut, dass nicht die Frauenbewegung, sondern Frauenmörder und Vergewaltiger vor Gericht gestellt werden. Auch die Verantwortlichen, die diese Täter schützen, gehören vor Gericht. Gewinnen wird nicht die frauenfeindliche Politik, sondern der organisierte Kampf von Frauen“, so Beritan Önen. Auf der Kundgebung wurde die sofortige Freilassung von Ayşe Gökkan und der im Kobanê-Verfahren am Mittwoch ebenfalls verhafteten TJA-Aktivistin Zeynep Ölbeci gefordert.
Weitere Proteste fanden unter anderem in Mêrdîn, Şirnex, Adana und Mersin statt.
Journalistin, Bürgermeisterin, Feministin
Ayşe Gökkan ist 1965 in Pirsûs (Suruç) geboren und hat Journalismus studiert. Sie ist bereits über 80 Mal festgenommen worden, in den letzten Jahren wurden diverse Ermittlungsverfahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation eingeleitet. Die 1965 geborene Journalistin wurde 2009 mit 83 Prozent der Stimmen zur Bürgermeisterin der Kreisstadt Nisêbîn (tr. Nusaybin) gewählt. In ihrer Amtszeit wurden 200 Ermittlungsverfahren gegen sie geführt. Zuletzt war sie 2017 für fünf Monate in Untersuchungshaft. Im Februar 2020 wurde sie zur Sprecherin der TJA gewählt.
Im Dezember 2020 wurde sie in Mêrdîn (tr. Mardin) zu achtzehn Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In dem Verfahren wurde sie beschuldigt, sich in militärischem Sperrgebiet aufgehalten und Sachschäden verursacht zu haben. Der Vorwurf gegen Gökkan geht auf eine Aktion des zivilen Gehorsams im Oktober 2013 zurück. Zu dem Zeitpunkt war sie Bürgermeisterin von Nisêbîn und protestierte mit einem Hungerstreik an der Grenze nach Syrien gegen den Bau einer Mauer.
Der Haftbefehl ist in einem in Amed geführten Prozess erlassen worden. Ayşe Gökkan wird eine führende Position in einer „terroristischen Organisation“ vorgeworfen.