Die Türkei blockiert den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands und verlangt die Auslieferung von „Terroristen“. Laut AKP-nahen Medien macht der türkische Staatschef Erdogan zehn Bedingungen zur Voraussetzung, das Veto gegen die NATO-Erweiterung aufzuheben. So soll unter anderem die Unterstützung der PKK und YPG unterbunden werden. Erdoğan versucht sich vom Westen Zugeständnisse in verschiedenen Angelegenheiten zu erpressen. Hinter seinem Vorgehen dürften hauptsächlich die Aufhebung von Rüstungsembargos sowie neue Waffengeschäfte, aber auch innenpolitische Motive eine Rolle spielen. Die Umfragewerte von Erdoğan und seiner AKP sinken und Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen „kurdische Terroristen“ finden traditionell im nationalistischen Wählerklientel Anklang.
Ann Linde, die schwedische Außenministerin, reagierte am Freitag mit einem Tweet, in dem sie erklärte, dass Schweden die PKK vor allen anderen Ländern als terroristische Vereinigung eingestuft habe: „Aufgrund der weit verbreiteten Desinformation über Schweden und die PKK möchten wir daran erinnern, dass die schwedische Regierung unter Olof Palme nach der Türkei als erste die PKK bereits 1984 als terroristische Organisation eingestuft hat. Die EU folgte diesem Beispiel 2002, als Anna Lindh schwedische Außenministerin war. Diese Position bleibt unverändert."
Die Türkei stört sich auch daran, dass kurdische Politiker:innen in europäischen Parlamenten sprechen. Explizit benannt wird unter anderem Zübeyir Aydar, ein ehemaliger Abgeordneter im Parlament der Türkei und langjähriges Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans). Aydar tritt häufig öffentlich auf, ein in Belgien geplantes Attentat eines türkischen Killerkommandos ist gescheitert. Im April nahm er als Redner an einer Konferenz zur kurdischen Frage im schwedischen Reichstag teil und sagte, dass das Verbot der PKK rechtlich wie ethisch nicht haltbar sei.
Gegenüber Medya News erklärte Aydar zu dem Tweet der schwedischen Außenministerin, dass er nicht mit einer derartig „billigen Antwort auf die Erpressung eines Autokraten wie Erdogan“ gerechnet habe. Die Verlautbarung von Ann Linde sei auch inhaltlich falsch, so Zübeyir Aydar: „Eigentlich weiß die Ministerin besser als jeder andere, dass die PKK eine Befreiungsbewegung ist. Sie weiß auch, dass dieses Terror-Etikett ungerecht ist und dem gerechten Kampf eines Volkes immens schadet. Olof Palme war ein Freund des kurdischen Volkes, wie er ein Freund aller unterdrückten Völker war. Die Bemühungen, die PKK für seine Ermordung verantwortlich zu machen, waren eine der größten Verschwörungen der Geschichte. Im Juni 2020, 35 Jahre nach der Ermordung, als der Generalstaatsanwalt verkündete, dass der Fall abgeschlossen sei, wurde eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß, dass die PKK unter den Opfern des Falles sei. Während wir Kurden eine offizielle Entschuldigung des schwedischen Staates erwartet haben, ist Lindes Reaktion auf Erdoğans Erpressung zumindest unglücklich.
Zudem ist die PKK im Rahmen der schwedischen Gesetze nie als Terrororganisation eingestuft worden. In der schwedischen Verfassung gibt es keinen Artikel, in dem eine Organisation als Terrororganisation bezeichnet wird. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass die PKK erstmals 1997 von den Vereinigten Staaten, 2000 vom Vereinigten Königreich und 2002 von der EU als Terrororganisation eingestuft wurde. Das schwedische Parlament ratifizierte diesen Schritt im Jahr 2002 aufgrund der EU-Gesetzgebung, die von den Mitgliedsstaaten verlangt, ein Verfahren zu befolgen, das nur nach intensiven Diskussionen durchgeführt werden kann.
In Anbetracht der Entscheidung eines hohen belgischen Gerichts und der Urteile des Europäischen Gerichtshofs wurde offiziell anerkannt, dass die PKK den Befreiungskampf des kurdischen Volkes vertritt und einer der Akteure in diesem Konflikt ist.
Ich appelliere an die westlichen Länder, insbesondere an Schweden und Finnland, den Erpressungen der Türkei von Erdoğan nicht nachzugeben. Ich rufe die zivilgesellschaftlichen und politischen Organisationen in Schweden und Finnland auf, darüber zu wachen, dass ihre Regierungen keine Zugeständnisse gegen den gerechten Kampf des kurdischen Volkes machen.
Die Türkei greift die Kurden mit aller Macht an. Sie greift die kurdischen Werte in Rojava und Südkurdistan an. Sie setzt täglich mehrmals chemische Waffen in Südkurdistan ein. Sie geht hart mit den Menschen in Nordkurdistan um. Dort gibt es mehr als zehntausend politische Gefangene. Folter und Misshandlungen sind in den türkischen Gefängnissen an der Tagesordnung. Es gibt Todesfälle in den Gefängnissen. Die Regierung blockiert die Wege der demokratischen Politik vollständig. Sie zerschlägt jede Opposition.
Wir appellieren alle NATO-Länder, den westlichen Block, Schweden und Finnland: Benutzen Sie uns nicht, um mit der Türkei zu verhandeln. Unterstützen Sie nicht den Krieg und die Kriegsverbrechen der Türkei in Kurdistan und werden Sie nicht zu deren Partner. Die Türkei und Erdogan sollten nicht Ihre Kurdenpolitik gestalten. Lassen Sie sich nicht auf die Position herab, die die Türkei und Erdogan wollen. Schließen Sie Freundschaft mit dem kurdischen Volk.“