Arzach: ZAD fordert klares Stoppsignal an Aggressoren

Der Zentralrat der Armenier fordert die EU und die NATO auf, ein klares Stoppsignal für die Aggressoren Aserbaidschan und Türkei zu setzen. An die Völkergemeinschaft appelliert der Dachverband, ihre Stimme „gegen die Kriegstreiber” zu erheben.

Es ist ein dringender Appell an die Nato und an die Europäische Union. Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) fordert die demokratische Völkergemeinschaft auf, ihre Stimme „gegen die Kriegstreiber” im Konflikt um Arzach (Bergkarabach) zu erheben und ihre Bemühungen um einen schnellen erneuten Waffenstillstand zu forcieren. „Schweigen tötet“, so der Vorsitzende Schawarsch Owassapian.

Der ZAD beklagt, dass weder die EU noch die Nato den Aggressoren ein klares Stoppsignal setzen. Seit über einer Woche überziehe Aserbaidschan die kleine Republik im Kaukasus mit massivem Raketenbeschuss. „Ermutigt durch den türkischen Präsidenten und mit logistischer, politischer und waffentechnischer Hilfe aus der Türkei, die hier klar Kriegspartei ist, versucht Baku, seine territorialen Ansprüche an Karabach durchzusetzen.” Dabei könne der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyew auf deutsche Waffen aus dem Arsenal der türkischen Armee und auf etwa 4000 islamistische Söldner setzen, die der türkische Präsident Erdogan in Syrien rekrutiert und in das Konfliktgebiet geflogen habe.

Bruch mit allen Regeln zivilisatorischen Umgangs unter den Völkern

Darüber hinaus werde inzwischen sichtbar, dass die Türkei auch direkt in das Kriegsgeschehen eingreift, so der ZAD. Ein Kampfflugzeug vom Typ F-16 habe einen armenischen Jet im Luftraum der Republik Armenien abgeschossen und es seien Raketenteile gefunden worden, die eindeutig belegten, dass Ankara sich aktiv beteiligt. Kann die NATO, fragt der ZAD, unkommentiert hinnehmen, dass ein Mitglied einen Angriffskrieg in Europa führt? Die westliche Verteidigungsgemeinschaft decke so einen „Bruch mit allen Regeln zivilisatorischen Umgangs” unter den Völkern.

„Aber auch die EU, unter deutscher Ratspräsidentschaft, ist gefordert, mäßigenden Einfluss auf den Verbündeten zu nehmen. Es kann nicht angehen, dass Brüssel und Berlin mit Blick auf das Flüchtlingsabkommen EU/Türkei immer wieder beide Augen zudrücken und damit ungezählte Todesopfer dieses Kriegs im Südkaukasus in Kauf nehmen. Der Preis ist zu hoch, die Glaubwürdigkeit der politischen Entscheidungsträger leidet und das Vertrauen in demokratische und moralische Maßstäbe schwindet”, unterstreicht der ZAD.

Es kann nur eine politische Lösung geben

Wenn die Türkei und Aserbaidschan sich jetzt gegen die ersten Versuche der OSZE und gegen entsprechende Appelle der Präsidenten Frankreichs und Russlands stellten, die beteiligten Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, spreche das eine Sprache, auf die es nur eine Antwort geben könne: „Hoher politische Druck des Westens auf die Despoten in Baku und Ankara, und letztendlich wirksame Sanktionen. Es kann nur eine politische Lösung geben.”

Der ZAD-Vorsitzende weist in großer Sorge darauf hin, dass die Armenier in Arzach in tödlicher Bedrohung leben: „Die staatlich angeordneten Massaker von Sumgait und Baku, mit denen Präsident Aliyew 1988 die armenische Bevölkerung Aserbaidschans überzogen hat, waren der Auslöser für den Freiheitskampf der Karabach-Armenier. Ihre einzige Überlebenschance bestand darin, sich frei zu machen vom Machtanspruch Bakus und die Unabhängigkeit anzustreben. Keiner dieser Armenier würde es überleben, wenn es Aserbaidschan gelänge, sich die Republik Bergkarabach wieder einzuverleiben.“

Kritik an westliche Medien

Baku argumentiere gern, Bergkarabach gehöre völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Eine Formulierung, die westliche Medien gern und ohne Überprüfung übernommen hätten, kritisiert der ZAD. Tatsächlich ist der völkerrechtliche Status der Region umstritten. Der ZAD weist jedoch auf eine ganze Reihe von Fakten hin, die diese These fragwürdig erscheinen lassen: „Die Sowjetunion unter ihrem Führer Stalin hat 1921 die armenische Provinz Karabach - wie übrigens auch die ebenfalls armenische Provinz Nachitschewan -  gegen jedes Völkerrecht und gegen den erklärten Willen der Bevölkerung an Aserbaidschan überschrieben; die oben beschriebenen Massaker von Sumgait und Baku ließen den Armeniern keinen Ausweg, als sich gegen die Machthaber zu erheben; die Armenier haben in einer Volksabstimmung 1991 ihr Recht auf Selbstbestimmung und damit das völkerrechtlich verbriefte Recht wahrgenommen, einen eigenen Staat zu gründen; der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in Bezug auf den Kosovo festgestellt, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht grundsätzlich gegen das Völkerrecht verstößt; die Volksabstimmung von Karabach war gedeckt durch die zu der Zeit noch gültige sowjetische Verfassung.”

Rechte der Karabach-Armenier anerkennen

Der Zentralrat der Armenier fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Rechte der Karabach-Armenier endlich anzuerkennen und damit das Leben der rund 150.000 Einwohner der Republik nachhaltig zu sichern. Der ZAD fordert auch die internationale Anerkennung der kleinen Republik und verknüpft damit die Hoffnung, die territorialen Ansprüche der Türkei und Aserbaidschans „für alle Zeiten zu neutralisieren”. Es sei Zeit, die Waffenstillstands-Verhandlungen zu einem tragfähigen Ende zu bringen, sagt Owassapian. „Wir müssen bedauerlicherweise konstatieren, dass Aserbaidschan mit der Unterstützung Ankaras einen Testlauf gestartet hat, um die Sprachfähigkeit des Westens zu prüfen. Mit einem erschütternden Ergebnis: Schweigen“. Arzach habe kein Interesse an einem Waffengang gehegt, der Aggressor in diesem Fall sei eindeutig Aserbaidschan. Die Armenier in der Region wollten nur eines: „In Frieden und Freiheit und Würde leben.”