Anwältin Özbek: Sonderpraxis auf Imrali

Der PKK-Gründer Abdullah Öcalan sitzt seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali in Haft. Die Anwältin Gülşen Özbek berichtet, dass auf Imrali eine Sonderpraxis herrsche. Es sei notwendig, endlich die Tore Imralis zu öffnen, fordert sie.

Der PKK-Gründer Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Verschleppung im Februar 1999 aus der griechischen Botschaft in der kenianischen Hauptstadt Nairobi auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. Elf Jahre war er der einzige Häftling und wurde bewacht von mehr als tausend Soldaten. Der letzte Besuch seiner Anwält*innen fand vor mehr als sieben Jahren statt. Seit dem 4. April 2015 befindet sich Öcalan faktisch in Totalisolation. Auch Besuchsanträge seiner Familienangehörigen werden seit über zwei Jahren abgelehnt. Zuletzt konnte ihn sein Bruder Mehmet Öcalan im September 2016 kurz besuchen.

Im Gespräch mit ANF hat sich die Anwältin Gülşen Özbek zu den anhaltenden erschwerten Isolationshaftbedingungen von Öcalan und die auf Imrali angewandte Sonderpraxis geäußert.

„Es handelt sich um eine Sonderpraxis“

Özbek berichtet, das Gefängnis auf Imrali werde seit jeher mit Spezialmethoden verwaltet. Alle Rechte Öcalans seien dem kurdischen Vordenker mit verschiedenen Begründungen aberkannt worden. Die Juristin beschreibt die Sonderpraxis auf Imrali folgendermaßen: „Die verschärfte Isolationshaft gegenüber Öcalan wird seit 20 Jahren systematisch umgesetzt. Aber nach dem 27. Juli 2011 [letzter Anwaltsbesuch bei Öcalan] gewann sie ein neues Ausmaß. Jeden Tag wird die Isolation seither weiter verschärft. Alle Kontakte Öcalans zur Außenwelt wurden abgeschnitten und jeglicher Rechtsbeistand wird ihm verwehrt. Vor dem Putschversuch am 15. Juli 2016 wurde der Besuch auf Imrali mit dem Argument verhindert, die Fähre sei defekt. Diese Gründe hatten nichts mit der Realität zu tun. Seit dem gescheiterten Putschversuch wird jeder Besuch verweigert, sei es sein Rechtsbeistand oder seine Familienangehörigen.“

„Wir machen uns Sorgen“

Özbek bezeichnet die in Bezug auf Imrali getroffenen Entscheidungen als rechtswidrig und illegal. Auf der Gefängnisinsel werde in keiner Weise Recht angewandt, alle juristischen Prinzipien würden über den Haufen geworfen, so die Anwältin. „Vor einer Weile haben sich die Anwälte Öcalans wegen der Situation auf Imrali und der Folter an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und das Komitee zur Verhinderung von Folter (CPT) gewandt. Mit der Entscheidung beider Institutionen ist die Folter legitimiert worden, da sie keinerlei juristische Grundlage haben. Es handelt sich um ein rein politisches Urteil. Wir machen uns Sorgen und möchten wissen, was mit Öcalan auf Imrali passiert.“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte im September die Klage Öcalans wegen Folter im Isolationsgefängnis Imrali als nicht ausreichend belegt abgewiesen. Das Gericht wies in seinem Urteil (Beschwerdenummer 12261/10) auf einen Bericht vom CPT hin, in dem es hieß, Öcalan werde nicht gefoltert. Das CPT hatte in seinem Bericht vom Januar 2010 die Haftbedingungen des kurdischen Vordenkers als „generell akzeptabel“ bezeichnet.

„Die Tore Imralis müssen geöffnet werden“

Trotz der Unterbindung von Öcalans Kontakten nach außen mittels der auf Imrali angewandten Sonderpraxis habe der Einfluss des Vordenkers auf die kurdische Gesellschaft, auf die Türkei und den Mittleren Osten nicht abgenommen, so Özbek. Im Gegenteil, sein Einfluss und die Bedeutung Öcalans hätten weiter zugenommen. „Er wird als Ansprechpartner für eine Lösung angesehen. Aus diesem Grund müssen die Isolation beendet und die Tore von Imrali geöffnet werden.“