Abschiebung kurdischer Frauen in den Iran abgewendet

Erneut zeigt der deutsche Staat, dass seine Solidarität mit den kämpfenden Frauen im Iran und die sogenannte feministische Außenpolitik nichts weiter sind als heuchlerische Lippenbekenntnisse.

Was bleibt, ist der Kampf gegen Patriarchat und Kapital

Am Freitagnachmittag sollten zwei zuvor geflohene kurdische Frauen von Berlin über die Türkei in den Iran abgeschoben werden. Durch zahlreiche spontane Proteste konnte das verhindert werden. Erneut zeigt der deutsche Staat, dass seine Solidarität mit den kämpfenden Frauen im Iran und die sogenannte „feministische Außenpolitik“ nichts weiter sind als heuchlerische Lippenbekenntnisse.

Es sollte hinter verschlossenen Türen und möglichst unbemerkt passieren: zwei kurdische Frauen, die über die Türkei nach Berlin per Flugzeug eingereist waren, sollten direkt wieder abgeschoben werden. Die 17-Jährige und ihre Großmutter hatten am Flughafen in Berlin bei ihrer Ankunft einen Asylantrag gestellt. Aufgrund fehlender Pässe und Visa wurden sie dem sogenannten „Flughafenasylverfahren” zugewiesen, das ein Schnellverfahren ist.

Die Schülerin selbst war an den massenhaften Frauenprotesten unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“ an ihrer Schule und auf der Straße im Iran beteiligt – politisch aktiven Frauen droht im Iran schärfste Verfolgung bis hin zur Todesstrafe. Doch trotz dieser Umstände wurde ihr Antrag abgewiesen, stattdessen sollten sie und ihre Großmutter noch am Nachmittag desselben Tages in die Türkei und von dort aus in den Iran abgeschoben werden. Aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustandes der älteren Frau wurde die Abschiebung jedoch vorerst auf den Folgetag, den Freitag verschoben.

Am Freitag selbst hatte sich dann Protest gegen die drohende Abschiebung am Flughafen Berlin Brandenburg gebildet. Die Polizei bezeichnete die Aktion als „Kindergarten“ und warf einzelne Protestierende raus, wie die Aktivistin Daniela Sepehri auf X berichtete. Doch durch massiven öffentlichen Druck konnte die Abschiebung gestern am späten Nachmittag in letzter Sekunde verhindert werden. Die beiden Frauen werden nun einem standardmäßigen Asylverfahren in Deutschland zugewiesen – ein erster Erfolg. Doch warum musste es dazu erst kommen?

„Jin, Jiyan, Azadî“ – aber nur, wenn es der Regierung nützt

In den vergangenen zwei Jahren äußerten deutschen Spitzenpolitiker:innen immer wieder ihre Solidarität mit den iranischen Frauen, welche allen Gefahren zum Trotz gegen das Mullah-Regime und die anhaltenden Krisen im Iran protestierten. Allen voran Annalena Baerbock, die voller Stolz zu Beginn 2023 ihre Leitlinien einer „feministischen Außenpolitik“ verkündete.

Doch wie sich an derartigen Fallbeispielen der beiden kurdischen Frauen zeigt: wenn es tatsächlich darauf ankommt, Frauen zu schützen, überwiegen die allgemeinen Staats- und Kriegsinteressen deutlich. Denn nicht erst seit gestern fährt die aktuelle Ampelregierung einen Kurs von Abschiebung und Kriegstreiberei.

Der deutsche Staat inszeniert sich immer wieder als Anker der Stabilität, als Verteidiger „westlicher Werte“ und Gleichberechtigung – doch gleichzeitig ertrinken täglich Menschen auf dem Mittelmeer, gleichzeitig töten deutsche Waffen in aller Welt und gleichzeitig wird ein gesellschaftliches Klima von Spaltung, Angst und Kriegskurs geschürt. Dass die Abschiebung der beiden Kurd:innen abgewendet werden konnte, ist somit zwar ein großer Erfolg. Doch darauf ausruhen kann man sich nicht – ist in der Realität ja letztlich eine derartige menschenfeindliche Politik bitterer Alltag in der BRD.

Frauenkampf ist immer auch ein Kampf gegen dieses System

Wenn wir also tatsächlich die internationale Solidarität hochleben lassen und die Unterdrückung von uns Frauen konsequent bekämpfen wollen, dann müssen wir große Schritte gehen. Spontane Proteste wie im Falle der geplanten Abschiebung sind wichtig und auch daran müssen wir uns beteiligen. Solange wir derartige Proteste jedoch nicht in kontinuierliche Bahnen lenken, werden solche Erfolge leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.

Konkret bedeutet das, dass der Frauenkampf sich auch immer gegen diesen Staat und gegen den Kapitalismus richten muss. Denn dieser ist es, der unsere Klasse ausbeutet und uns Frauen unten hält – im Iran mit Sicherheit um einiges brutaler und in einem größeren Maßstab – doch auch in Deutschland sind Frauen nicht frei. Und alle, die dem deutschen Staat noch immer seine Vorbildfunktion in Sachen Frauenrechten abkaufen, seien erinnert: Noch immer sind Schwangerschaftsabbrüche in der BRD grundsätzlich strafbar und noch immer drückt die deutsche Politik rückschrittliche Richtlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen durch. Und noch immer unterstützt der deutsche Staat den Angriffskrieg der Türkei gegen die Völker in Westasien – so auch gegen kurdische Frauen.

Er schafft die Basis dafür, dass, wenn wir Frauen uns gegen die für uns vorgeschriebenen patriarchalen Rollenbilder wehren, wir durch patriarchale Gewalt auf die für uns vorgesehene traditionelle gesellschaftliche Position zurückverwiesen werden. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass wir in Solidarität mit den Frauen auf der ganzen Welt kämpfen und dies mit den alltäglichen Klassenkämpfen verbinden – ob bei drohenden Abschiebungen, bei Femiziden oder klassischen Streiks. Was also bleibt, ist das Versprechen: Frauen, Leben, Freiheit – Klassenkampf, wir sind bereit!


Der Text von Livia Haas erschien zuerst auf Perspektive Online