Şengal-Protest vor irakischer Botschaft in Berlin

Vor der irakischen Botschaft in Berlin ist die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der mehrheitlich ezidischen Bevölkerung von Şengal in Südkurdistan gefordert worden.

Vor der irakischen Botschaft in Berlin hat eine Protestkundgebung für Şengal stattgefunden. Der Dachverband der ezidischen Frauenräte, der Frauenrat Dest-Dan und die „Internationale Sozialistische Organisation“ forderten vor der Botschaft, das Selbstbestimmungsrecht der mehrheitlich ezidischen Bevölkerung von Şengal zu respektieren.

In einem Redebeitrag wurden der Hintergrund und die Forderungen erläutert:

Seit dem Genozid und Feminizid an den Ezid*innen 3. August 2014 sind erst wenige Jahre vergangen, die Wunden dieses Traumas sind tief. Doch schon wird Şengal, das Herz der ezidischen Gemeinschaft, erneut zum Objekt eines geopolitischen Machtkampfes zwischen dem türkischen Staat, dem irakischen Staat und der PDK (Demokratische Partei Kurdistans).

Der türkische Staat führt Gespräche mit diversen Ländern wie Russland und dem Irak, um den nächsten Invasionsplan für Rojava vorzubereiten. Es ist kein Zufall, dass nach den diplomatischen Gesprächen von türkischer Seite mit dem irakischen Premierminister Mustafa al-Kadhimi und dem Barzanî-Clan der PDK mit der Besetzung des Şengal gedroht wurde. „Wir können eines nachts unvermutet kommen“, so der Kommentar des türkischen Staatschefs Erdoğan auf die Frage nach der geplanten Invasion in den Şengal. Auch die Nachrichtenagentur ANHA berichtet davon, dass der türkische Staat eine Invasion in die Gebiete des Şengal (Südkurdistan) und Dêrik (Rojava) plant. All das bedeutet einen Verstoß gegen das Şengal-Abkommen, das unter der Trump-Regierung zwischen Bagdad und Erbil abgeschlossen wurde.

Dêrik in Rojava befindet sich in einer strategisch wichtigen Lage, da es in dem Dreiländereck Syrien, Türkei und Irak liegt. Eine Besetzung soll bewirken, dass die Verbindung zwischen Südkurdistan und Rojava gekappt wird und man sich geographisch die Region Şengal einverleibt. Die USA, die sich bisher nicht positioniert haben, müssen nun zeigen, welche Haltung die neue Regierung in diesem Konflikt einnimmt. Der türkische Staat wird weiterhin austesten, wieweit er an die Grenzen einer antikurdischen Politik gehen kann, bis eine internationale Reaktion erfolgt.

Für uns als Ezid*innen bedeutet eine Nichtreaktion, dass wir erneut Feminizid, Gewalt und Angriffen ausgesetzt sind. Es bedeutet, dass wir unter die Kontrolle von Bagdad und der PDK fallen, genau denselben Kräften, die uns 2014 den Angriffen des IS und dem Genozid schutzlos ausgeliefert haben.

Durch den entschlossenen Widerstand der Bevölkerung Şengals konnten alle bisherigen Bemühungen, die Selbstbestimmung Şengals anzugreifen, abgewendet werden. Am 11. März hat jedoch die irakische Armee einen erneuten Angriff auf die Selbstverteidigungskräfte Şengals unternommen. Wir rufen alle freiheitsliebenden Menschen auf, ihre Stimme gegen diese Politik zu erheben und uns Ezid*innen und Kurd*innen beim Kampf um unsere Selbstbestimmung tatkräftig zu unterstützen. Menschen dürfen niemals und nirgendwo zum Spielball machtpolitischer Interessen gemacht werden! Gemeinsam sagen wir NEIN zur Fremdbestimmung! Şengal ist selbstbestimmt und verteidigt sich selbst!

Wir fordern: • Die sofortige Beendigung des Annexionskrieges • Strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen und Unterstützer*innen des Genozids/Feminizids an den Ezid*innen, insbesondere des IS und des türkischen Staates • Die Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen der Ezid*innen im Şengal