Österreich: Mutmaßlicher MIT-Agent vor Prozess abgeschoben

Ein mutmaßlicher türkischer Ex-Agent, der den Auftrag gehabt haben soll, einen Anschlag auf die Grünenpolitikerin Berivan Aslan zu verüben, ist nach Italien abgeschoben worden. Was aus seinem Spionage-Prozess im Februar wird, ist fraglich.

Der mutmaßliche türkische Ex-Agent Feyyaz Öztürk, dem Anfang Februar am Wiener Landesgericht wegen militärischen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat der Prozess gemacht werden soll, ist kurz vor Weihnachten mit einem Aufenthaltsverbot belegt und nach Italien abgeschoben worden. Der 53-Jährige war erst wenige Stunden zuvor nach zweimonatiger Untersuchungshaft aus der JVA Josefstadt entlassen worden.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte seit September gegen den gebürtigen Türken mit italienischer Staatsbürgerschaft ermittelt, nachdem dieser sich an das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gewandt und mitgeteilt hatte, er sei vom türkischen Geheimdienst MIT angewiesen worden, Anschläge auf die kurdischstämmige Grünenpolitikerin Berivan Aslan und weitere Persönlichkeiten in Österreich durchzuführen. Konkret soll der Mann neben Aslan vom ehemaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz (Grüne Liste) und dem EU-Abgeordneten Andreas Schieder (SPÖ) gesprochen haben.

Ex-Agent wollte seinen „Arsch retten“

In seiner Aussage gab Öztürk an, bis zu seiner unlängst erfolgten Pensionierung für den MIT gearbeitet zu haben. Nach Österreich sei er eigens für den „Auftrag” in Wien gekommen, die Instruktionen habe er in einem türkischen Restaurant in der serbischen Hauptstadt Belgrad erhalten. Als dann die Nachricht eintraf, zuzuschlagen, habe er das BVT aufgesucht. Er habe Angst, nach dem „Auftrag“ von den türkischen Behörden fallengelassen zu werden. Diese hätten ihn „in der Hand“. So seien seine Konten durch die Regierung gesperrt worden, seine Familie werde bedroht. Öztürk gab zu Protokoll, seinen „Arsch retten“ zu wollen.

In Nordmazedonien, wo Öztürk lebte, war der vermeintliche Spion kurz vor seiner Reise nach Österreich in einen mysteriösen Kriminalfall verstrickt. Wie die Deutsche Welle berichtete, gehe es um den Tod eines Mannes, dessen Angehörige massiv die Darstellung der Behörden zum Todesort anzweifeln und auf den Umstand hinweisen, dass die Leiche des Mannes vollgepumpt mit Drogen in der Wohnung von Feyyaz Öztürk gefunden wurde. Aber offiziell starb das Opfer woanders.

Bei seinen Vernehmungen sagte Öztürk zudem aus, dass er auch als Kronzeuge für die Verurteilung des türkischen Verbindungsbeamten des US-Generalkonsulats in Istanbul, Metin Topuz, verantwortlich gewesen sei. Es habe sich jedoch um eine Falschaussage gehandelt, zu der er gezwungen wurde. Ihm sei von den türkischen Behörden ein leeres Blatt Papier vorgelegt worden, das er unter Drohungen unterschreiben musste. Der langjährige US-Generalkonsulatsmitarbeiter Metin Topuz war im Juni 2020 als angeblicher Unterstützer der Gülen-Bewegung zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. US-Außenminister Mike Pompeo hatte offiziell gegen das Urteil protestiert.

Behörden: Feyyaz Ö. gefährdet nationale Sicherheit

Dass Feyyaz Öztürk aus der U-Haft entlassen und noch am selben Tag nach Italien abgeschoben wurde, wirft Fragen auf. Nach Aufhebung des Haftbefehls ist der 53-Jährige mit einem unbefristeten Aufenthaltsverbot belegt worden, dem für den Fall einer Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, heißt es in verschiedenen Medienberichten. Begründet wurde die Entscheidung demnach mit der „eminenten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“. Im vorliegenden Fall sei „die Annahme gerechtfertigt“, dass Öztürk „die nationale Sicherheit gefährdet“. Daher wurde er drei Tage vor Weihnachten an die Grenze gebracht und den italienischen Behörden übergeben.

Enttäuschung und Kritik bei Aslan

Berivan Aslan ist enttäuscht. Darüber, wie wenig die Sorge um Demokratie, Menschenwürde und Rechtstaatlichkeit sei und wie sehr politische Strategien wichtiger wären als Menschenleben und Grundwerte, schrieb die 39-Jährige im Kurznachrichtendienst Twitter. Außerdem warf sie dem Rechtsbeistand von Öztürk vor, medial den Fall aktiv in eine andere Richtung lenken zu wollen. Die Rechtsanwält*innen Veronika Ujvarosi und Daniel Mozga meinen, dass ihr Mandant nie jemand umbringen wollte oder in dahingehende Vorbereitungen involviert gewesen sei. Er verstehe sich als „Whistleblower” und „Geschäftsmann“.

Plötzlich Geschäftsmann?

Warum sucht er dann Schutz in Österreich, wenn er schon italienischer Staatsbürger ist, will Aslan wissen. „Plötzlich sei der mutmaßliche ehemalige Geheimdienstagent ein Geschäftsmann und ein Whistleblower? Ein ‚Geschäftsmann’,der über geheimdienstliche Informationen verfügt und damit beauftragt wurde, eine österreichische Politikerin zu töten?” Ob die Sicherheitsbehörden Aslans Fragen beantworten werden, bleibt abzuwarten.

Weitere offene Fragen

Fraglich ist auch, was mit dem für den 4. Februar am Wiener Landesgericht angesetzte Spionage-Prozess gegen Feyyaz Öztürk passiert. Der Termin stehe zwar fest. Ob der Angeklagte noch einmal einen Fuß auf österreichischen Boden setzen wird, um sich seinem Verfahren zu stellen, das ihm im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren einbringen könnte, wird sich zeigen.