Öcalan-Anwalt Bilmez: CPT muss nach Imrali

Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez aus dem Verteidiger-Team von Abdullah Öcalan fordert das Antifolterkomitee des Europarats dazu auf, die Situation der vier Gefangenen auf Imrali zu untersuchen.

Der PKK-Gründer Abdullah Öcalan wird seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer festgehalten. Seit dem 11. September 2016 gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Weder seine Anwälte noch seine Angehörigen können ihn besuchen. Auch die drei weiteren Gefangenen auf der Insel sind vollständig von der Außenwelt isoliert. Öcalans Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez hat sich gegenüber ANF zum Hochsicherheitsgefängnis Imrali, dem Antifolterkomitee des Europarats (CPT) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geäußert.

Die Türkei ist kein Rechtsstaat mehr

Bilmez verwies auf die Rechtlosigkeit auf Imrali und erklärte, dass der türkische Staat das eigene Recht verletze. „Seit 1999 herrscht auf Imrali ein Isolationssystem mit Auswirkungen auf den gesamten Mittleren Osten. Die Türkei ist kein Rechtsstaat mehr. Das Land entfernt sich täglich weiter von den Prinzipien eines Rechtssystems“, so der Anwalt aus der Kanzlei, die Abdullah Öcalan und die drei anderen Gefangenen auf Imrali verteidigt.

Die Verschleppung Öcalans in die Türkei vor knapp zwanzig Jahren sei im Rahmen eines internationalen Komplotts erfolgt, der sich gegen den Wunsch nach Freiheit des kurdischen Volkes gerichtet habe, erklärte Bilmez weiter: „Herr Öcalan ist in seinen Verteidigungsschriften ausführlich auf dieses Thema eingegangen. Er sollte beiseite geschafft werden, weil er ein alternatives System für die Völker entgegen der Interessen der hegemonialen Kräfte erschaffen hat. Nachdem er Damaskus verlassen musste, wurden als Teil dieser Politik auch in Europa alle Türen verschlossen.“

Besuchsanträge regelmäßig abgelehnt

Der türkische Staat lehnt die wöchentlichen Besuchsanträge der Anwälte Öcalans regelmäßig ab. „Jahrelang wurden Besuche auf Imrali mit fadenscheinigen Begründungen verboten. Nach dem versuchten Militärputsch vom 15. Juli 2016 wurden Anwaltsbesuche mit Verweis auf den Ausnahmezustand verboten. Jetzt wird eine Disziplinarstrafe als Grund herangezogen. Auf Imrali hat das Rechtssystem von Anfang an keine Gültigkeit gehabt. In einem Rechtsstaat müssen alle Bürger nach demselben Recht behandelt werden, auch wenn es sich um eine politische Angelegenheit handelt. Im Fall Öcalan trifft das auf die Türkei nicht zu.“

Politisch motivierter Umgang europäischer Institutionen

Ibrahim Bilmez kritisiert den europäischen Menschenrechtsgerichtshof dafür, dass er eine Untersuchung der Haftbedingungen auf Imrali abgelehnt hat. „Diese Institution wurde zur Verteidigung der Menschenrechte gegründet, aber momentan verteidigt sie eher das kapitalistische System. Die Ablehnung des EGMR ist politisch motiviert und der Gerichtshof hat sich damit von seinem Gründungszweck entfernt. Herr Öcalan hat ohnehin nie Erwartungen in diese Art von Einrichtungen gesetzt.“

Die einzige Institution, die die Situation der vier Gefangenen auf Imrali inspizieren kann, ist das CPT, das Komitee zur Verhütung von Folter des Europarats. Rechtsanwalt Bilmez sieht das CPT in der Verantwortung: „Auf Imrali findet eine Totalisolation statt und alle juristischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Das CPT muss daher unbedingt die Lage auf der Gefängnisinsel untersuchen. Es gibt keinerlei Kontakt zu Herrn Öcalan und unseren anderen drei Mandanten auf der Insel. Das CPT hat es selbst nach dem versuchten Militärputsch nicht für notwendig gehalten, nach Imrali zu fahren. Der europäische Umgang mit Imrali dient weder einer Demokratisierung der Türkei noch einer Lösung der kurdischen Frage. Das CPT und andere europäische Einrichtungen müssen aktiv werden.“

Einflussreicher und friedliebender Politiker

Bilmez verwies darauf, dass eine Beendigung der Isolation Öcalans zur Entspannung der Situation im Mittleren Osten beitragen könne. Öcalan sei ein einflussreicher und friedliebender Politiker. „Für eine Lösung der kurdischen Frage durch den türkischen Staat ist Öcalan erster Ansprechpartner. Wenn der Staat anderer Meinung wäre, hätte er nicht mit Öcalan verhandelt. Die Friedensverhandlungen haben vor den Augen der Öffentlichkeit stattgefunden. Öcalans Botschaften wurden im türkischen Fernsehen live übertragen. Millionen Menschen haben seine Newroz-Botschaften verfolgt. Während der Gespräche zwischen Öcalan und dem türkischen Staat herrschte Hoffnung in der Gesellschaft.“