5. Internationalistische Kurdistan-Tagung startet in Darmstadt

In Darmstadt läuft seit heute die 5. Internationalistische Kurdistan-Tagung. Die Veranstaltung dient als Plattform für die Reflexion der Entwicklung der Kurdistan-Solidarität und dem Ideenaustausch für künftige Arbeiten und Projekte.

Reflexion der Entwicklung der Kurdistan-Solidarität

In Darmstadt hat am Samstag die 5. Internationalistische Kurdistan-Tagung begonnen. Bei der zweitägigen Veranstaltung, organisiert von der Initiative Defend Kurdistan, der Kampagne Women Defend Rojava und dem Jugendzentrum für Öffentlichkeitsarbeit Ronahî, geht es sowohl um die aktuelle Lage in Kurdistan und dem Mittleren Osten als auch um die politische Situation in Deutschland und dem Rest der Welt.

Hauptsächlich aber soll die Tagung reflektieren, wie sich die Kurdistan-Solidarität über die Jahre hinweg entwickelt hat, und einen Überblick über die verschiedenen Arbeiten, Institutionen und Projekte in Deutschland rund um das Thema Kurdistan und die kurdische Freiheitsbewegung schaffen. Außerdem wollen die Veranstaltenden die Tagung dafür nutzen, gemeinsam mit anderen Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen an praktischen Perspektiven zu arbeiten.

Ein kleiner Büchertisch darf bei keiner Kurdistan-Tagung fehlen

„Wie kann internationale Solidaritätsarbeit aussehen? Was braucht es dafür? Und was kann insbesondere in dieser Phase getan werden?“ lauten hierbei die Schlagwörter.

Gemeinsames Streben nach Gerechtigkeit und Freiheit

Das Motto der diesjährigen Tagung lautet „Auf den Sozialismus zu bestehen, heißt auf das Menschsein zu bestehen.“ Die Zusammenkunft begann mit einer Schweigeminute, um der Gefallener der Revolution in Kurdistan und auf der ganzen Welt zu gedenken, gefolgt von der Vorstellung des Programms. Anschließend hielt ein Sprecher des Kurdischen Gesellschaftszentrums Darmstadt eine herzliche Begrüßungsrede. In seinen einfühlsamen Worten betonte er die Bedeutung der internationalen Solidaritätsarbeit, insbesondere hier in Deutschland. „Es ist stets eine große Ehre für uns, die Anwesenheit und Unterstützung der Internationalisten hier in Darmstadt zu erfahren und willkommen zu heißen. Ihre Präsenz und Engagement tragen maßgeblich dazu bei, eine Atmosphäre der Solidarität und des gemeinsamen Strebens nach Gerechtigkeit und Freiheit zu schaffen“, sagte er.

Verantwortung in den Solidaritätsarbeiten wahrnehmen

Auch im Namen des Vorbereitungskomitees wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt. Ganz im Sinne des Slogans „Auf den Sozialismus zu bestehen, heißt auf das Menschsein zu bestehen“ wurde die Bedeutung von Solidarität betont: „Solidarität bedeutet, die Angriffe auf Kurdinnen und Kurden in Belgien, die Angriffe auf die freien Berge Kurdistans, den Wahlbetrug der AKP nicht abgetrennt von unseren Kämpfen hier zu sehen. Die Angriffe müssen als das gesehen und begriffen werden, was sie wirklich sind – nämlich Angriffe auf die Demokratie, Angriffe auf die Selbstbestimmung, Angriffe auf die Freiheit aller Menschen. Wir müssen auf den Kämpfen derjenigen, die vor uns diese Kämpfe geführt haben, auf den Errungenschaften der Gefallenen aufbauen und unsere Verantwortung in den Solidaritätsarbeiten wahrnehmen.

Vortrag von Nilüfer Koç

Der Vortrag der Nahostexpertin Nilüfer Koç bot wichtige Impulse und Einblicke zur Bewertung der politischen Lage in Kurdistan: Die politische Landschaft im Nahen Osten und insbesondere in Kurdistan hat sich seit dem 3. April dramatisch verändert, insbesondere durch die Ereignisse in Wan. Diese Veränderungen erfordern eine gründliche Analyse, um die Dynamiken von Macht, Widerstand und geopolitischen Interessen zu verstehen. Was ist die Bedeutung von Wan und die Verteidigung von Rojava?

Die erfolgreichen Proteste in Wan haben nicht nur Rojava vor einer möglichen Invasion geschützt, sondern auch die Sensibilität Europas für die kurdische Frage erhöht. Die „Development Road“ und die neue Energieroute reflektieren die geopolitischen Interessen verschiedener Akteure im Kontext des Nahostkonflikts.

Die geopolitische Bedeutung des Mittleren Ostens und alternative Korridore: Die Entwicklungen im Nahen Osten, einschließlich des Indian Middle East Corridor, stoßen auf Widerstand von Akteuren wie Erdogan, der seine eigene Route fordert.

Auch die Rolle von Katar, Dubai und die anhaltenden Spannungen zwischen Iran und den USA prägen die geopolitische Landschaft.

Die innenpolitische Situation in der Türkei und der Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit: Die Politik der AKP und Erdogans autoritäre Herrschaft werden von progressiven Kräften in der Türkei und Kurdistan herausgefordert. Die Koalitionen zwischen verschiedenen politischen Kräften, einschließlich der CHP und Refah, zielen darauf ab, den Status quo zu verändern und den kurdischen Widerstand zu stärken.

Solidarität mit Palästina und die Rolle von Kurdistan im internationalen Widerstand: Die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und der Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit spiegeln sich in den Bemühungen Kurdistans wider, eine gerechte und demokratische Gesellschaft aufzubauen. Die Befreiung von Reber Apo und die Fortsetzung des kurdischen Widerstands sind Teil eines größeren internationalen Kampfes gegen Unterdrückung und Kolonialismus.

Schlussfolgerung: Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten und Kurdistan erfordern eine solidarische und entschlossene Antwort von progressiven Kräften weltweit. Die Entkolonialisierung Kurdistans und der Aufbau einer gerechten und demokratischen Gesellschaft sind Teil eines größeren internationalen Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit.

Analyse zur Situation in Deutschland

Der Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, hat kürzlich den italienischen Philosophen Gramsci zitiert: „Die alte Ordnung ist zusammengebrochen, aber die neue Ordnung ist noch nicht etabliert, es ist die Zeit des Chaos.“ Ähnliche Gedanken äußerte auch Öcalan, indem er von einem „Chaosintervall“ sprach. Dies bedeutet, dass verschiedene Wege aus dieser Phase möglich sind. Wer ist jedoch die am besten organisierte Kraft, um erfolgreich aus dieser Phase zu gehen? Wer trägt die Initiativkraft?

Olaf Scholz sprach letztes Jahr von einer Zeitenwende. Diese Ausdrucksweise ist irreführend, denn diese Phase existiert nicht erst seit letztem Jahr. Deutschland ist sich seit einiger Zeit dieser Phase bewusst und hat Vorbereitungen getroffen. Die Aufrüstung und die Arbeit von Think Tanks für Sicherheitspolitik zielen darauf ab, ein neues Bewusstsein für Sicherheitsfragen in der Bevölkerung zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenlegung der Führungskommandos der Bundeswehr. Auch die 75-jährige Geschichte der NATO als Bündnis von Kolonialstaaten darf nicht vergessen werden. Obwohl die NATO sich als Verteidigungsbündnis inszeniert, sind Aufrüstung und Waffen letztendlich dazu da, ihren eigenen Interessen zu dienen.

Die aktuelle massive offensive Aufrüstung, einschließlich der Verwendung von Drohnen, sollte uns daher aufhorchen lassen. Deutschland verfolgt innerhalb der NATO seine eigenen Interessen, obwohl es historisch eine untergeordnete Rolle spielte. Die Diskussionen darüber, was die NATO tun würde, wenn Trump an die Macht käme, laufen schon lange. Deutschland arbeitet bereits seit einiger Zeit an einer Alternative zur NATO. Aufgrund des Mangels an eigenen Rohstoffen befindet sich Deutschland geopolitisch in einer nachteiligen Situation. Politiker argumentieren, dass es keine andere Wahl gibt, als Rohstoffe von fragwürdigen Regimen zu beziehen. Die Interessen Deutschlands am wirtschaftlichen Profit werden oft über Demokratie, Menschenrechte und Völkerrecht gestellt. Die Sparmaßnahmen im sozialen Sektor stehen im Zusammenhang mit der Aufrüstung. Streiks und Protestbewegungen haben ein enormes Potenzial, das nicht unterschätzt werden sollte. Der öffentliche Diskurs ist jedoch stark beschränkt, und es besteht kaum Raum für eine differenzierte Meinung. Dies ist ein großes Problem. Es ist jedoch positiv zu sehen, dass es starke Protestbewegungen gibt, zum Beispiel für Palästina und für einen Waffenstillstand, trotz des massiven Gegenwinds, dem sie ausgesetzt sind.