Ölexporte aus Südkurdistan: Türkei muss Schadensersatz an Irak zahlen

Ein internationales Schiedsgericht hat die Türkei zu einer Schadensersatzzahlung in Milliardenhöhe an den Irak verurteilt. Der Grund: Exporte von kurdischen Ölreserven über die Kirkuk-Ceyhan-Pipeline ohne Zustimmung der Zentralregierung in Bagdad.

Ein jahrelanger Konflikt um kurdische Erdölexporte ohne Rücksprache mit dem Irak in die Türkei scheint vorerst beendet. Der internationale Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris (ICC) hat Ankara in der vergangenen Woche zu einer Zahlung in Milliardenhöhe an die Regierung in Bagdad verurteilt. Die Kirkuk-Ceyhan-Pipeline, die zuletzt täglich 370.000 Barrel Öl aus der Kurdistan-Region des Irak (KRI) ans Mittelmeer pumpte, wurde daraufhin am Samstag von der türkischen Regierung geschlossen.

Das irakische Ölministerium begrüßte Urteil des ICC. Der Schiedsspruch bestätige, dass der Export von Öl durch die KRI ohne Abstimmung mit der Zentralregierung gegen die Verfassung des Landes verstoße und das schwarze Gold nur von der irakischen Staatsgesellschaft Somo vermarktet werden dürfe. Man wolle nun gemeinsam mit der Führung in Hewlêr (Erbil) und Ankara an neuen Mechanismen für Erdölexporte aus dem Irak arbeiten, um künftige Lieferströme zum Ölhafen im türkischen Ceyhan zu gewährleisten.

Ende 2013 hatte die KRI ohne Zustimmung Bagdads ein fünfzigjähriges Abkommen mit der Türkei unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht den Ausbau von Erdöl- und Erdgaspipelines vor, um Südkurdistans Ölreserven in die Türkei und über diese auf den Weltmarkt zu exportieren. Die kurdischen Ansprüche auf Öl beruhen auf der Auslegung von Artikel 112.1 der irakischen Verfassung. Dieser legt fest, dass die Zentralregierung, die ölproduzierenden Gouvernements und die Regionalregierungen alle Ölfelder gemeinsam verwalten sollen. Dagegen stützen sich die irakischen Behörden auf Artikel 111, in dem es heißt: „Öl und Gas gehören dem gesamten irakischen Volk in allen Regionen und Gouvernements.“

Gegen den heftigen Protest Bagdads hat die KRI 2014 ihre ersten selbständigen Ölexporte abgewickelt. Über die neu gebaute Kirkuk-Ceyhan-Pipeline floss Erdöl aus dem südlichen Kurdistan zunächst in die Türkei, um von dort auf den Weltmarkt gebracht zu werden – auch trotz eines in der Folge ausgehandelten Deals zwischen Hewlêr und Bagdad, der die Ölausfuhr regelte und vorsah, dass die KRI 17 Prozent des Staatsbudgets und damit eine Milliarde Dollar pro Monat erhält. Weil die kurdische Regionalregierung ihre Souveränitätsansprüche in Sachen Ölvermarktung nicht aufgab, drehte Bagdad den Geldhahn zum jährlichen Anteil am Staatshaushalt zu und reichte Beschwerde beim Schiedsgericht ein.

Der ICC hat Ankara nun angewiesen, 1,4 Milliarden Dollar an Bagdad für wirtschaftliche Schäden zwischen den Jahren 2014 und 2018 zu zahlen. In der türkischen Hauptstadt ist man zufrieden mit dem Urteil, schließlich beliefen sich die Forderungen des Iraks ursprünglich auf das dreißigfache. Dennoch tendieren die Chancen, dass die türkische Regierung die Summe vollständig berappen wird, eher gegen null. Bürokratische Spitzfindigkeiten und juristische Tricks bestimmen seit jeher das türkisch-irakische Verhältnis. Der Irak ist nach Angaben der internationalen Energieagentur der fünftgrößte Erdölproduzent, in der KRI befindet sich ein Drittel der gesamten Ölreserven des Landes.