Angesichts der ökologischen Krise, der Auswirkungen von industrieller Nahrungsmittelproduktion und der Macht multinationaler Konzerne muss Ökologie aus einer antikapitalistischen und revolutionären Perspektive diskutiert und Alternativen aufgebaut werden. Um kleinbäuerliche Formen des Widerstandes sichtbar zu machen und Alternativen zur kapitalistischen Nahrungsmittelproduktion vorzustellen, veranstaltete das Antifa Enternasyonal Café eine Diskussionsveranstaltung. Eingeladen waren Vertreter*innen der feministischen Initiative Wendland, der Solidarischen Landwirtschaft Wilhelmsburg/Nordheide und von Via Campesina.
Die feministische Initiative Wendland ist mit dem Kommunensystem im Wendland vernetzt, das praktische, basisdemokratische Selbstversorgungsstrukturen aufbaut. Ihr Verständnis von Feminismus ist nicht das eines Teilbereichskampfes, das nur Sexismus bekämpfen will, sondern viel mehr geht es darum mit einer feministischen Perspektive jegliche Unterdrückung und Ausbeutung zu bekämpfen. Daher sieht die Initiative Ökologie und Antikapitalismus als elementare Bestandteile ihrer Arbeit.
Die SoLaWi Wilhelmsburg/Nordheide begreift sich als eine widerständige Struktur, die gemeinschaftlich und mit antikapitalistischem Anspruch Gemüse anbaut und dabei bedürfnisorientiert und unabhängig von Marktschwankungen produziert. Die Mitglieder, inzwischen 900 in Hamburg, beziehen Gemüse, für das sie einen selbstgewählten Beitrag zahlen, von dem die Produktionsmittel im folgenden Jahr finanziert und Löhne bezahlt werden. Es ist ein Modell der Lebensmittelproduktion, das schon seit 30 Jahren existiert. Die Abnehmenden erhalten im Gegenzug die gesamte Ernte sowie weiterverarbeitete Erzeugnisse wie Brot, Käse etc. – sofern der Solidarhof diese herstellt. Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst. Wesentlich ist also, dass eine Gruppe die Abnahme der Erzeugnisse garantiert und die Ernte bzw. alles, was notwendig ist, um diese zu erzeugen, vorfinanziert. Alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte.
La Via Campesina ist eine internationale Bewegung aus Graswurzelorganisationen, in der Landlose, Kleinbäuerinnen und -bauern, Indigene und ländliche Arbeiter*innen organisiert sind. Die Bewegung kämpft weltweit seit Anfang der 1990er Jahre gegen die kapitalistische Ausbeutung von Natur und Mensch und will einen alternativen Weg aufbauen um den Schutz natürlicher Ressourcen zu garantieren und Ernährungssouveränität durchzusetzen. Die Bewegung hat zudem einen Fokus auf antipatriarchalen Kämpfen. Über 100 Basisorganisationen u.a. die Landlosenbewegung in Brasilien sind in ihr organisiert. Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft ist Mitgründerin der europäischen Bauernopposition Sie wurde 1986 (als CPE) gegründet und besteht aus bäuerlichen Organisationen, die eine gründliche Reform der Agrarpolitik auf europäischen und weltweiten Ebene fordern. 27 Bauernorganisationen aus 18 europäischen Ländern gehören zur Europäischen Koordination Via Campesina.
Die Vertreterin der feministischen Initiative Wendland betonte wie Patriarchat und Kapitalismus zusammenhängen und stellte einen Bezug zur kurdischen Freiheitsbewegung her.
Die Sprecherin von Via Campesina erklärte, dass ihre Organisation vor allem auch die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft thematisiere, in vielen Gesellschaften seien die Frauen für den Schutz des Saatgutes zuständig. Der Kolonialismus habe traditionelle Strukturen zerstört und patriarchale, westliche Eigentumsverhältnisse wurden durchgesetzt, auch sei die Thematisierung von Gewalt (psychisch, institutionelle, sexualisierte) gegen Frauen eine bedeutende Auseinandersetzung in der Organisation. Zunehmend wird auch die Geschlechterbinarität als Teil des Patriarchats in Frage gestellt, queerfeministische Positionen gestärkt.
Internationale Solidarität sei eine Basis, unter anderem mit Kämpfen in Palästina um Wasser und Land.
Der Sprecher der Solidarischen Landwirtschaft erklärte, solidarische Landwirtschaft sei als Modell zu betrachten, das für andere Bereiche adaptiert werden müsse. Menschen könnten sich in den Nachbarschaften selbst organisieren, um auch andere Bereiche der Bedürfnisbefriedigung solidarisch und kollektiv zu organisieren.
In der anschließenden Diskussion wurde vor allem thematisiert, dass die vorgestellten Konzepte Bewusstsein für eine antipatriarchale und antikapitalistische Ökonomie schaffen können, sie sollten nicht als Nischen oder Lifestylemoment verstanden, sondern als Basisprojekte in der Gesellschaft zunehmend verankert werden.
Die Bedeutung von Solidarität und Teilen können eine Alternative zu der Individualisierungsbestrebung des Kapitalismus bieten.
Auch wurde ein Bezug zum Kommunalismusprojekt in Rojava hergestellt. In Rojava biete sich die einzigartige Chance ein System des Staatskapitalismus mit dem Hauptelement der Weizenmonokultur in kommunale, ökologische und antipatriarchale Strukturen zu überführen.
Durch die Revolution wurde viel Land in die Hände der Freiheitsbewegung gegeben. Zunächst wird versucht Subsistenz aufzubauen, d.h. Nahrungsmittelsouveränität zu erreichen. Auch in Europa versuche die kurdische Frauenbewegung Kooperativen, die an Frauenräte angebunden sind, aufzubauen.
Die Diskussion ergab, dass Ziel sein sollte, Kämpfe zu verbinden und Ökologie und Feminismus als Grundlage bei der Überwindung patriarchal kapitalistischer Strukturen zu verstehen.
Hingewiesen wurde auch auf die „Wir haben's satt"-Demonstration im Oktober in Berlin, europaweit die größte Demonstration zum Thema, an der Lebensmittelproduzent*innen, Naturschützer*innen etc. beteiligt sind.