Keine Isolation auf Imrali?

Das türkische Justizministerium behauptet, der Begriff „Isolation“ sei in Bezug auf Abdullah Öcalan nicht zutreffend. Die Anwaltskanzlei Asrin, die alle vier Gefangene auf Imrali vertritt, stellt die Sachlage klar.

Seit drei Jahren kein Kontakt zu Abdullah Öcalan

Abgeordnete der DEM-Fraktion haben am 7. Dezember 2023 eine Anfrage zu der Isolation von Abdullah Öcalan an den Menschenrechtsausschuss im Parlament der Türkei gestellt. Der PKK-Begründer ist seit 25 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert, seit März 2021 gibt es von ihm und seinen drei Mitgefangenen kein Lebenszeichen mehr. Auch ihre Anwält:innen und Angehörigen haben keinen Kontakt zu ihnen. In der Antwort der Generaldirektion für Gefängnisse und Haftanstalten des türkischen Justizministeriums wurde behauptet, dass Abdullah Öcalan seine Rechte wahrnehmen könne und es keine Isolation gebe.

Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die die vier Imrali-Gefangenen vertritt, hat schriftlich zu der Antwort des Ministeriums Stellung bezogen. Die Kanzlei moniert, dass sich die Anfrage der DEM-Abgeordneten auf die Entwicklungen auf Imrali seit 2011 bezogen hat und das Justizministerium nur auf das Jahr 2023 eingeht: „Drei der im Jahr 2023 verhängten Disziplinarstrafen werden aufgelistet und es wird lediglich erwähnt, dass Besuche von Angehörigen aufgrund dieser Strafen nicht stattfinden konnten. Es wird jedoch beispielsweise nicht erklärt, aus welchen Gründen diese Disziplinarstrafen verhängt wurden, warum sie in Dreimonatszeiträumen (15. März, 26. Juni, 27. September 2023) erfolgten und warum die Disziplinarverfahren bewusst vor den Anwältinnen und Anwälten verheimlicht wurden.“

Eine vierte Disziplinarstrafe, die am 28. Dezember 2023 verhängt wurde, sei in der Antwort des Ministeriums nicht aufgeführt, so die Kanzlei: „Auch hier handelte es sich wie üblich um ein Disziplinarverfahren in einer Angelegenheit, die nichts mit Familienbesuchen zu tun hatte, und zwar auf völlig unbegründete und willkürliche Weise, und auch hier wie üblich unter Ausschluss der Anwältinnen und Anwälte. Die Entscheidungen des Vollstreckungsrichters zur Verhinderung von Anwaltsbesuchen, die das Ministerium nicht näher erläuterte und die im Jahr 2023 fortgesetzt wurden, erfolgen ebenfalls heimlich, willkürlich und rechtswidrig.“

Anwält:innen von Abdullah Öcalan waren zuletzt im August 2019 zu einem Besuch in dem Inselgefängnis, Hamili Yıldırım, Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş haben seit ihrer Verlegung nach Imrali im März 2015 nicht mehr mit einem Anwalt sprechen können. Wie die Kanzlei Asrin mitteilt, argumentiert das Justizministerium, dass der Begriff „Isolation“ laut Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur zutreffe, „wenn die Kommunikation des Gefangenen mit seinem Anwalt, seinen Verwandten oder anderen Gefangenen vollständig unterbunden“ werde.

„Das Ministerium versucht quasi, die letzten Grenzen der Isolation zu bestimmen, die eine unmenschliche Behandlung darstellt“, erklärt die Anwaltskanzlei. In der Antwort habe es weiter geheißen, „der Antragsteller wurde nicht daran gehindert, sich mit seinen Anwälten und Angehörigen zu treffen“. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage möge die Öffentlichkeit selbst beurteilen, tatsächlich habe seit 2020 kein Anwalt und kein Familienmitglied die Gefängnisinsel betreten. „Mit solchen vagen Aussagen können die Folterbedingungen auf Imrali nicht unsichtbar gemacht und beschönigt werden“, stellt die Kanzlei fest und betont, dass die Rechte der Gefangenen systematisch verletzt werden, auch keine schriftliche oder telefonische Kommunikation möglich ist, keine Informationen über den Gesundheitszustand ihrer Mandanten vorliegen und alle Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten sind.

Kontakte zu Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen seit 2011

Den Angaben der Kanzlei zufolge finden seit dem 27. Juli 2011 keine Anwaltsgespräche auf Imrali statt, mit Ausnahme von fünf Besuchen im Jahr 2019, die mit einem Massenhungerstreik durchgesetzt wurden (2. Mai 2019, 22. Mai 2019, 12. Juni 2019, 18. Juni 2019 und zuletzt am 7. August 2019). Seit dem 6. Oktober 2014 werden Familienbesuche verboten, auch für Angehörige gab es aufgrund von öffentlichen Drucks fünf Ausnahmen (11. September 2016, 12. Januar 2019, 5. Juni 2019, 12. August 2019 und zuletzt 3. März 2020).

Veysi Aktaş, Hamili Yıldırım und Ömer Hayri Konar hatten in den neun Jahren ihrer Inhaftierung auf Imrali keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und durften dreimal Familienbesuch empfangen, Yıldırım sogar nur zweimal. Alle anderen Besuchsanträge wurden abgelehnt.

Telefongespräche waren im gesamten Zeitraum zweimal möglich, am 27. April 2020 und am 25. März 2021. Seitdem gibt es keine Nachrichten von den Imrali-Gefangenen.

Verhinderte Freilassung von Veysi Aktaş

Die Anwaltskanzlei weist außerdem auf die verhinderte Freilassung von Veysi Aktaş hin und teilt mit, dass ein Widerspruch gegen die willkürliche Verlängerung der Haftdauer um ein Jahr abgelehnt worden ist. Der Beschluss zur Haftverlängerung wurde dem Verteidigerteam nicht zugestellt.

„Imrali in ein juristisches schwarzes Loch zu verwandeln, reicht nicht aus, um die Politik der Isolation und die administrativen und politischen Entscheidungen bezüglich dieser Praxis unsichtbar zu machen“, erklärt die Kanzlei und fordert Ministerium und Justiz auf, die „Zustände des absoluten Kommunikationsverbots und die freiheitsentziehenden Entscheidungen zu beenden“.