Vielfältiger Protest gegen Asylrechtsverschärfungen beim Kirchentag

Auf dem Kirchentag in Nürnberg haben verschiedene Gruppen gegen die Aushöhlung des Rechts auf Asyl protestiert. Die Kritiker:innen der von der EU beschlossenen „Asylrechtsverschärfung 2.0“ bekamen viel Zuspruch von Besucher:innen am Eingang der Messe.

Selten waren Proteste gegen die Aushöhlung des Rechts auf Asyl so prominent platziert und wurden von so vielen Menschen wahrgenommen wie die in aller Eile organisierte Kundgebung heute in Nürnberg. Tausende mehr oder weniger gottesfürchtige Besucher:innen des Evangelischen Kirchentags blieben auf ihrem Weg zu Veranstaltungen am Eingang der Messe stehen und applaudierten den Kritiker:innen der „Asylrechtsverschärfung 2.0“.

Zahlreiche Gruppen brachten ihr Entsetzen gegen den gestern auf dem Gipfeltreffen der EU ausgehandelten „Asylkompromiss“ zum Ausdruck, unter anderem dabei waren die Seebrücke, der Bayrische Flüchtlingsrat, Pro Asyl, die Ortsgruppe Defend Kurdistan, We Integrate, die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, die Initiative Kirchenasyl und dazu etliche Geflüchtete aus Syrien und Eritrea.

Die in der Seenotrettung aktiven Organisationen See Eye, See Watch und SOS Humanity verlasen eine Resolution, in der die Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche, Annette Kurschus, aufgefordert wird, sich für zivile Seenotrettung einzusetzen und die vom FDP-geführten Verkehrsministerium initiierte Reform der Schiffssicherheitsverordnung zu stoppen, die eine zivile Rettungsmaßnahmen de facto unmöglich macht.

Menschenrechte zerschellen an der Festung Europa“

Eine Sprecherin der Seebrücke fasste die gestrigen Beschlüsse der EU zusammen: „Was unter dem ehemaligen Innenminister Seehofer noch als menschenverachtend galt, wird jetzt von der neuen Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorangetrieben. Sie drückte ihre Freude über die neue Reform mit folgenden Worten aus: ‚Erstmal bin ich sehr froh, dass diese historische Entscheidung heute gelungen ist!‘. Als Begründung nannte sie die offenen Grenzen des Schengenraums. Offene Grenzen sind also gut, solange sie nur für privilegierte Europäer:innen gelten.“ Die Rednerin prangerte die zahlreichen Push-Backs an, etwa an der belarussisch-polnischen Grenze, und forderte „offene Grenzen für alle, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Religionszugehörigkeit und sexueller Identität und das Ende der europäischen Abschottung.“

In anderen Redebeiträgen wurde kritisiert, das neue GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) legalisiere Menschenrechtsverletzungen. Lager wie Moria seien dafür die Blaupause und Menschenrechte würden an der Festung Europa zerschellen. Fluchtursachen – auch aufgrund der neoliberalen Lebensweise und der exportierten kriegerischen Auseinandersetzungen in der kapitalistischen Moderne – seien kein Thema mehr.

„Den Forderungen von Rechtspopulisten geopfert“

Einig war man sich, dass gestern die Menschenrechte den Forderungen von Rechtspopulisten geopfert wurden. Getrieben von der AfD betreibe die Ampelregierung ein System der Abschottung und Ausgrenzung an den EU-Grenzen, das nicht einmal mit dem Koalitionsvertrag vereinbar sei. Erinnert wurde auch an die 1990er Jahre, als auf die Nazi-Rhetorik (‚Das Boot ist voll') rassistische Brandanschläge in vielen deutschen Städten folgten. „Gab es damals noch parlamentarische Opposition gegen den Ausverkauf der Menschenrechte, so haben wir heute eine Regierung, die das Geschäft der Rechtsextremen erledigt. Zwar beklagten einige Grünen noch ,Bauchschmerzen', die aber bald vergehen werden. Der rechte Diskurs wird normal in Deutschland“, so eine Sprecherin.

Seebrücke: Asylrecht de facto abgeschafft

Die Seebrücke protestiert heute auch in weiteren Städten in Deutschland. Die bundesweit vernetzte Organisation für sichere Häfen kritisiert in ihrem Aufruf:

„Gestern haben die Innenminister:innen der EU die schärfsten Asylreformen seit Jahrzehnten beschlossen. Menschen sollen in Zukunft bereits an den Grenzen inhaftiert werden – auch Familien mit Kindern. Faire und rechtsstaatlich abgesicherte Asylprozesse werden ausgesetzt, Menschen sollen schneller abgeschoben werden. Schwangere Frauen, Kleinkinder und alte Menschen können also zwölf Wochen in EU-Lagern an den Außengrenzen inhaftiert werden und danach ohne Asylverfahren abgeschoben werden. Die Beschlüsse widersprechen sowohl den allgemeinen Menschenrechten, als auch der Genfer Flüchtlingskonvention und auch dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser feiert indes die Verordnung als ,historischen Erfolg für den Schutz von Menschenrechten' und auch Außenministerin Annalena Baerbock spielt die menschenverachtenden Auswirkungen der Reformen herunter. Diese realitätsfernen Lügen sind an Zynismus nicht zu übertreffen. Ganz im Gegenteil: Die Reformen werden Elendslager wie Moria und PushBacks an den Grenzen schlichtweg legalisieren. Das ist eine historische Schande für Europa, die als Erfolg verkauft wird! Wir sagen Nein zu Grenz-Asylverfahren! Wir fordern eine Abschaffung des Asylkompromisses 2.0! Deswegen gehen wir ab heute in vielen Städten auf die Straßen.“