Mit allen staatlichen Mitteln gegen die DEM-Partei

Seit 2020 befindet sich die nordkurdische Metropole Êlih unter Zwangsverwaltung. Obwohl der türkische Staat alle Mittel einsetzt, um die demokratische Opposition mundtot zu machen, scheint ihm dies nicht zu gelingen.

Kommunalwahlen in der Türkei

Insbesondere in der Provinz Êlih (tr. Batman) versucht der türkische Staat, durch den Einsatz der Hüda Par die Stimmenmehrheit der demokratischen Opposition zu brechen. Die nordkurdische Provinz hat einerseits eine sehr tief verankerte kurdisch-patriotische Struktur, andererseits aber auch eine islamisch-konservative Tradition. Durch die Aufstellung einer islamistischen Partei, die immer wieder auch auf die kurdische Sprache Bezug nimmt, soll an das religiös geprägte Spektrum appelliert werden. Doch die Hüda Par ist nichts weiter als der politische Arm der türkischen Hizbullah, einer Organisation, die in den 1990er Jahren insbesondere in Êlih extrem grausam gewütet hat. Unzählige Menschen haben Angehörige in den Folterkellern der geheimdienstlich-islamistischen Organisation verloren.

Die Hüda Par wurde von der Regierung soweit protegiert, dass sogar zwei Abgeordnete bei den Parlamentswahlen auf dem Ticket der AKP-Allianz ins Parlament einzogen. Dennoch ist die Hüda Par, was ihre politische Stärke betrifft, vor allem ein Medienphänomen. So taucht sie besonders stark in den staatstreuen Medien auf.

Bei den Wahlen 2019 hatte die HDP in Êlih sechzig Prozent der Stimmen errungen. Aber bereits am 23. März 2020 wurden die gewählten Ko-Bürgermeister:innen vom Innenministerium suspendiert und an ihrer Stelle ein regimetreuer Zwangsverwalter eingesetzt. Der Zwangsverwalter ließ als erstes Schilder mit kurdischer Beschriftung entfernen und den Gebrauch der kurdischen Sprache in der Verwaltung vollkommen verbieten. Dienstleistungen für die Bevölkerung und die Arbeit an den Problemen der Stadt wurden eingestellt. Stattdessen wurden die Ressourcen der Stadtverwaltung der Hüda Par zugeleitet.

Die Hüda Par existiert vor allem durch die virtuellen Medien

Wenn man sich durch Êlih bewegt und mit den Menschen spricht, dann sind die Wahlen eines der wichtigsten Themen. Allerdings unterscheidet sich die Agenda der Menschen ganz deutlich von ihrer Darstellung in den Staatsmedien und dem in den virtuellen Medien durch Regimetrolle erzeugten Bild. Während die Hüda Par auf der Straße kaum eine Rolle spielt, wird ein mediales Bild propagiert, als hätte die islamistische Splitterpartei in Êlih eine starke Basis. Doch auch die permanente Suggerierung dieses Bilds scheint wenig an der politischen Realität in Êlih zu ändern.

Immer wieder versucht die Hüda Par, durch Manipulationen wie einerseits mit dem Eintreten für die kurdische Sprache und andererseits mit Schmutzkampagnen gegen die DEM-Partei zu punkten. Den meisten Menschen scheinen jedoch den manipulativen Charakter der Kampagnen von Hüda Par zu durchschauen. Viele meinen, dass die Hüda Par zwar keine Basis in Êlih habe, es jedoch möglich sei, dass die AKP ihr Klientel für die Hüda Par stimmen lassen werde.

Die Hüda Par versucht die Menschen in Êlih durch die Stiftung „Die den Propheten lieben“ (Peygamber Sevdalıları Vakfı) zu organisieren. Die Gründung der Stiftung wurde 2018 bekannt gegeben. Vorher organisierte sich die Hizbullah über Vereine wie Mustazaf-Der, Umut Kervani oder Ihya-Der. Nach der Gründung der Stiftung steigerte die Hizbullah bzw. Hüda Par ihre Aktivitäten und konnte dafür alle staatlichen Einrichtungen nutzen. Über die Stiftung wurden illegale Korankurse in allen Stadtteilen von Êlih organisiert und erst nachträglich über das Bildungsministerium registriert. Obwohl die Stiftung eigentlich mit der AKP-Stiftung TÜGVA konkurriert, wird sie in Êlih als ein Mittel der Spezialkriegsführung durch die AKP gestärkt und aus staatlichen Mitteln finanziert.

Die Stiftung der Hüda Par arbeitet in allen staatlichen Einrichtungen. Sie kontrolliert in Êlih die Einrichtungen des Bildungsministeriums, die Sport- und Jugenddirektion und die Direktion für Wohnheime. Ihr Kompetenzbereich wurde so weit ausgedehnt, dass sogar das Mädchenwohnheim in Êlih einen männlichen Leiter hat. Dieser vom Staat verliehenen Machtposition steht eine fast nicht existente gesellschaftliche Basis gegenüber.

Hüda Par will Arme abhängig machen

Dies versucht sie durch die Herstellung ökonomischer Abhängigkeiten auszugleichen. So liegen Berichte vor, dass die Stiftung der Hüda Par gezielt arme Familien aussucht, ihnen regelmäßige Lebensmittelhilfe zukommen lässt und ihnen Arbeit im Öffentlichen Dienst verschafft. Dazu nutzt die Hüda Par die Arbeitsämter, die ihren Kadern in Kurdistan und insbesondere in Êlih zur Verfügung stehen. So werde in Êlih sogar ein Raum in der Zentrale der Hüda Par verwendet, um Arbeiten im Öffentlichen Dienst zu vermitteln. Als Gegenleistung würden Stimmen für die AKP bzw. die Hüda Par und Parteimitgliedschaften verlangt.

Versuche die DEM-Partei von innen zu spalten

Die Hüda Par versucht außerdem, die DEM-Partei von innen zu spalten. Wie in Êlih berichtet wird, wurde der Rückzug eines Kandidaten für das Bürgermeisteramt, der unter anderem das Modell des Ko-Vorsitzes nicht respektierte und sich mit Hüda-Par-Funktionären präsentierte, für eine Hetzkampagne gegen die DEM-Partei genutzt. Die große Beteiligung an Wahlkundgebungen der DEM-Partei zeigt jedoch, dass diese Kampagne nicht greift. Im Gespräch sagen viele Einwohner:innen der Stadt, dass sie die Entwicklungen der letzten Zeit als einen Teil des Spezialkriegs begreifen. Die DEM-Kandidatin Gülistan Sönük ist sehr beliebt. Sönük ist den ganzen Tag über mit Wahlkampfaktivitäten beschäftigt, und die Tatsache, dass sie den Menschen so nahe kommt, wird von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen. Im Gegensatz zu dem, was in den virtuellen Medien gesagt wird, ist der Respekt der Menschen gegenüber Sönük unmittelbar vor Ort zu spüren.

Gleichzeitig sind die Menschen wütend auf den seit 2020 eingesetzten Zwangsverwalter. Viele sagen, dass sämtliche öffentlichen Ressourcen in die AKP und die Hüda Par geflossen seien und deswegen nichts für die Stadt getan wurde. Wenn es in Êlih eine Stunde regnet, dann versinkt sogar das Stadtzentrum im Schlamm. Die Wasserversorgung wird nicht besser, sondern immer schlechter. Vom Zwangsverwalter ist, abgesehen von einem Schild mit der Aufschrift „Batman“, im Stadtzentrum nichts zu sehen. Die Straßen sind kaputt und es gibt keine Parkplätze. Der Müll wird nicht gesammelt. Die Menschen in Êlih nehmen dies als Bestrafung dafür wahr, dass sie nicht die AKP gewählt haben.

Vertreter:innen der DEM-Partei erklären, dass Êlih bei dieser Wahl einen großen Erfolg erzielen und die Wahlergebnisse von 2019 noch übertreffen werde. Dies werde eine wichtige Antwort auf die Zwangsverwaltung darstellen.

Foto: Transparent mit der Aufschrift ,Die IS-Mentalität in Êlih wird mit Jin-Jiyan-Azadî besiegt werden'