Jemen: Entweder Föderation oder Teilung
Hauptakteure im Jemenkrieg sind Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei über die Muslimbruderschaft. Im Moment herrscht eine Waffenruhe, aber eine politische Lösung liegt in weiter Ferne.
Hauptakteure im Jemenkrieg sind Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei über die Muslimbruderschaft. Im Moment herrscht eine Waffenruhe, aber eine politische Lösung liegt in weiter Ferne.
Der Jemen ist ähnlich wie Libyen Schauplatz eines Stellvertreterkriegs. Parteien sind der Iran, Saudi-Arabien und die Türkei. Die Türkei will im Jemen ihre neoosmanischen Ansprüche über die Muslimbruderschaft durchsetzen, während der Iran auf die Huthi-Rebellen und Saudi-Arabien auf salafistische Gruppen setzt.
Nach fünf Jahren Krieg herrscht seit April im Jemen ein Waffenstillstand. Eine politische Lösung ist allerdings weiterhin nicht absehbar. Der Jemen ist politisch, administrativ, ökonomisch und emotional geteilt. Der türkische Staat versucht durch die oppositionelle, islamistische Islah-Partei (Reformpartei) der Muslimbruderschaft Einfluss im Jemen zu gewinnen. Die Türkei will vor allem die strategisch wichtige Meerenge Bab al-Mandab und den Suez-Kanal unter ihre Kontrolle bekommen und so Druck auf Ägypten und die Golfstaaten aufzubauen. Die zur zaiditischen Strömung der Shia gehörenden Huthi-Milizen kontrollieren im Moment etwa 35 bis 40 Prozent des Jemen. Die sich selbst als Ansar Allah bezeichnenden Milizen erhalten massive Unterstützung aus dem Iran. Saudi-Arabien, Ägypten, Kuweit, Bahrain, Katar, der Sudan, Marokko, Jordanien und andere arabische Staaten hatten 2015 eine Koalition gegen die Huthi-Bewegung gegründet.
Neoosmanische Ambitionen reichen auch in den Jemen
Das türkische Interesse am Jemen wurzelt in dessen Geschichte osmanischer Besatzung. 1905 hatten die Briten und das Osmanische Reich den Jemen unter sich aufgeteilt. Ein großer Teil des Jemens litt bis 1918 unter osmanischer Herrschaft. Es folgte ein Bürgerkrieg von 1920 bis 1947. 1956 wurde der Jemen zu einem Teil der Vereinigten Arabischen Republik Nassers, zu der auch Syrien gehörte. 1961 brach die VAR jedoch auseinander und der Jemen teilte sich. Im Südjemen wurde ein erbitterter Befreiungskampf gegen die britische Kolonialmacht geführt, in dem die linke Südjemenitische Befreiungsfront NLF siegreich war und nach langen Kämpfen mit dem Militär eine realsozialistische Republik durchsetzte. Am 22. Mai 1990 wurde der Jemen erneut vereinigt.
Unser Korrespondent Ersin Çaksu hat mit dem Generalsekretär der heute oppositionellen Südjemenitischen Befreiungsfront, Ali al-Mashabi, über die aktuellen Entwicklungen und Perspektiven in dem zerrissenen Land gesprochen.
Was können Sie zum Fortgang des Waffenstillstands im Jemen sagen?
Der Krieg ist im Moment praktisch unterbrochen. Es gibt nur einige kleinere Gefechte. Das ist normal. Wenn sich keine politische Lösung entwickelt, dann kommt es zu solchen kleineren Auseinandersetzungen. Das sind kleine Details, aber wir können nicht sagen, dass diese keine internationale Dimension und keinen tieferen Hintergrund hätten. Wir können sie als Widerspiegelung der Konflikte auf internationaler Ebene interpretieren. Nach dem Abkommen von Riyad sind die Kämpfe jedoch zum größten Teil eingestellt worden.
Gibt es in diesem Kontext Schritte hin zu einer politischen Lösung mit Hilfe der UN oder anderer Akteure?
Wir können nicht von einer klaren Tendenz für eine politische Lösung sprechen. Aber die Situation vor Ort bietet drei Möglichkeiten. Die erste Option wäre eine Trennung in zwei föderale Gebiete im Norden und im Süden und die Bildung von zwei autonomen Regionen innerhalb des Nordens und des Südens.
Die zweite Option wäre, den Jemen in drei föderalen Verwaltungszonen, die alle gleichberechtigt in der Regierung vertreten sind, zu organisieren. Zwei dieser Einheiten wären im Norden und eine im Süden angesiedelt. Diese beiden Optionen können nur unter der Bedingung umgesetzt werden, dass es keine Probleme zwischen den Kräften im Nordjemen gibt.
Die dritte Option wäre die Teilung des Jemen in zwei unabhängige Staaten unter internationaler Beobachtung. So könnte der Südjemen als unabhängiger Staat den Problemen des Nordjemens entgehen.
Aktuell ist der Jemen de facto in zwei oder sogar drei Teile geteilt. Allgemein lässt sich sagen, auf der einen steht Saudi-Arabien, auf der anderen der Iran. Wie positionieren Sie sich als Region Aden?
Es besteht kein Zweifel, dass wir als südjemenitische Kräfte das Projekt der Arabischen Koalition unterstützt haben. Das haben wir gegen die Interventionen vor allem der Türkei und des Iran getan. Wir glauben, der türkische Staat hat mit dem Iran ein Geheimabkommen über die Aufteilung der arabischen Region vom Irak über Syrien, über den Jemen bis nach Libyen geschlossen. In solch einer Situation agieren wir gemeinsam mit der Arabischen Koalition. Aber eine Frage muss gestellt werden: Wird das Projekt unseres Volkes unterstützt oder nicht? Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Was wir heute erleben, unterscheidet sich nicht so sehr vom Schicksal der Kurden. Wir erleben eine ähnliche Politik der Türkei und des Iran wie die Kurden. Unser Volk hat das Recht auf internationale Unterstützung und auf einen eigenen unabhängigen Staat. Wir haben das Recht, frei auf unserem eigenen Territorium zu leben und unserem Volk ohne die Intervention des türkischen Staates, des Iran oder eines anderen arabischen Staates mit den Reichtümern dieses Landes zu dienen.
Was für ein politisches Lösungsprojekt schlagen Sie denn vor?
Ohne das Jemen-Problem zu kennen, ohne Analyse, wird jedes Lösungsprojekt nichts anderes als Schaumschlägerei sein. Einige Lösungsprojekte haben rationale Ansätze in Bezug auf die Jemenfrage und sie geben zu, dass das Jemen-Problem schwierig ist. Sie sehen, dass das Problem im Jemen aus zwei Staaten und zwei Völkern besteht. Die Rhetorik der Brüderlichkeit und Einheit bedeutet nicht, dass wir uns gegenseitig die Rechte nehmen. Die Jemenfrage besteht aus zwei gordischen Knoten. Zunächst gibt es das Problem der Tyrannei im Nordjemen. Im Südjemen gibt es ein Problem mit der nordjemenitischen Sanaa-Administration und der Besetzung durch ihre Unterstützer vor Ort. Bei einem Lösungsprojekt muss das auf den Tisch kommen und sichergestellt werden, dass es sich nicht wiederholt. Die Regierung in Sanaa versuchte vor Beginn des Krieges 2015 das Problem im Nordjemen durch einen Dialog zu lösen. Aber das sollte auf Kosten des Südjemen geschehen. Wohin hat also dieser Dialog geführt? In den Krieg… Daher kann keine Lösung und keine Stabilität geschaffen werden, wenn dieses Problem nicht vollständig beseitigt wird. Das kann aber nur durch eine internationale Militärintervention erreicht werden. Als Menschen aus dem Südjemen werden wir eine solche Form der Lösung nicht akzeptieren.
Eine Lösung kann sich entwickeln, wenn nach einem Abkommen mit den internationalen Mächten mit dem Nordjemen Treffen mit dem Südjemen für eine Einheit stattfinden. Aber was müsste das dann für eine Einheit sein? Es müsste eine Einheit aus zwei Völkern und zwei Systemen sein. Ihre Vertretung müsste internationale Garantien erhalten. Genauso müssten die von außen geschaffenen Probleme im Südjemen auf einem solchen Kongress gelöst werden. Nach diesem Kongress muss ein gemeines Strategiepapier entstehen und dieses demokratisch durch das Volk bestätigt werden. Dann können Treffen zwischen dem Norden und Süden stattfinden. Es können dann auch zwei Lösungsprojekte in den Raum gestellt werden.
Eines könnte aus einer Zweitstaatenlösung innerhalb einer Nation bestehen. Aber nur unter der Bedingung, dass sich Norden und Süden keinen Schaden zufügen. Das zweite Lösungsprojekt mag sein wie es will, aber das südjemenitische Volk muss ein Mitspracherecht haben.
Wie betrachten Sie die Rolle der Muslimbrüder und ihrer Islah-Partei im Jemen?
Leider spielen sie eine negative Rolle in Bezug auf eine Lösung. Sie haben immer wieder für ein Scheitern der Koalition gesorgt, ob in Istanbul oder bei anderen Treffen. Andererseits wird die Islah-Partei von jemandem aus dem Norden geleitet. Viele Dinge, die den Huthis zum Vorteil gereichten, kamen von ihnen. Sie verhindern eine Organisierung und viele gemeinsame politische Arbeiten. Obwohl sie die Mittel und die Macht haben, werden sie es schwer haben, das der Öffentlichkeit zu erklären, daher werden sie eher früher als später untergehen.
Ist Ihrer Meinung nach eine erneute Teilung des Jemen eine Lösung? Handelt es sich dabei dann nicht auch um eine konfessionelle Teilung?
Auch wenn es in Jemen ein Problem zwischen den Konfessionen gibt, wäre es falsch zu behaupten, dass dieser Krieg nur ein Konfessionskrieg wäre. Diejenigen, die sich im Jemen darum bemüht haben, dass es zu keinem Konfessionskrieg kommt, waren die Menschen im Süden. Denn wir betrachten den Patriotismus als verbindendes Element. Aus diesem Grund gibt es in unserer Region keinen Konfessionskrieg. Das beste Beispiel dafür ist die Präsenz der Zaiditen. Im Nordjemen unterstützen zwanzig Prozent der Zaiditen die Huthis, im Südjemen sind es nur zehn Prozent.