„Widerstand, bis wir in Freiheit nach Efrîn zurückkehren können"

Nach der Sprengung des ezidischen Zentrums durch die türkische Armee erklärt Gulêcan Fer, dass der türkische Staat als bewusste Strategie die Geschichte der Region auszulöschen versucht.

Am vergangenen Dienstag sprengten die türkische Armee und ihre islamistischen Partner in Efrîn ein ezidisches Zentrum in die Luft. Das Zentrum war bereits zuvor durch türkischen Raketenbeschuss beschädigt worden. Doch nun wurde das komplette Gebäude samt ezidischer Glaubensschriften und einer Statue von Zarathustra zerstört. Gulêcan Fer, Frauenrepräsentantin der Ezidischen Einheit, beantwortete unsere Fragen zu diesem Vorfall.

 

Teilen Sie uns zunächst kurz mit, ob Sie vor der Rojava-Revolution bereits organisiert waren und was Sie im Zuge der Revolution gemacht haben?

Als Eziden waren wir bereits vor der Revolution organisiert. Wir haben im Jahr 2007 unseren ersten Kongress in Aleppo abgehalten. So waren wir gut aufgestellt, als es zur Revolution kam. Wir haben sofort unsere Arbeiten intensiviert. 2012 haben wir im Dorf Basûfanê das erste Haus der Eziden eröffnet. In diesem Haus haben wir nach Hunderten von Jahren erstmals ezidischen Kindern wieder ihren Glauben nahegebracht. Die Revolution war für uns eine große Chance. Und diese haben wir schnell und intensiv genutzt.

Wie ist es zur Gründung der Ezidischen Einheit gekommen?

Im Kanton Efrîn wurde ein Komitee aller Minderheiten und Glaubensgemeinschaften gegründet. Wir nahmen als Eziden hieran teil. Erstmals konnten so die Eziden unabhängig Bildungseinheiten zu ihrem Glauben erteilen und diese organisieren. 2013 haben wir dann die Ezidischen Einheit im Zentrum von Efrîn gegründet. Erstmals führten wir einen Ko-Vorsitz ein und organisierten uns in verschiedenen Kommissionen für Frauen, Rechtswesen, Bildung, Jugend, Presse und Kultur. Diese Kommissionen arbeiteten auch in den Dörfern von Efrîn, wo es insgesamt 22 ezidische Dörfer gibt. In jedem dieser Dörfer wurden Zentren eröffnet. In den Zentren gab es Bildungsangebote für Kinder und Frauen. Wir erfuhren auf diese Weise, wie in der Jahrtausende alten Geschichte der Kurden erstmals innerhalb der demokratischen Autonomie der ezidische Glaube anerkannt wurde und sich autonom organisieren konnte.

Kommen wir zur Sprengung des ezidischen Zentrums. Hier wurde Symbole Ihres Glaubens wie eine Statue von Zarathustra und ein Modellnachbildung von Lalisch zerstört. Können Sie sich den Hass gegen diese Symbole erklären?

Die Statue und die Modellnachbildung waren Geschenke der Bevölkerung an unser Zentrum. Wir wissen, dass bereits im Namen der Osmanen viele Massaker an den Kurden und Eziden verübt worden sind. Nun konnte der türkische Staat nicht ertragen, dass in Efrîn alle Volksgruppen und Religionsgemeinschaft ein gemeinsamen Leben organisierten. Sie haben deshalb Efrîn angegriffen. Sie haben Massaker verübt und wollen unsere gesamte Geschichte zerstören. Deshalb haben sie direkt unsere Zentren dem Erdboden gleichgemacht.

Die Kräfte der YPG und YPJ haben 58 Tage lang Widerstand gegen die Angriffe geleistet. Auch wir waren Teil dieses Widerstandes. Wir haben die Weltgemeinschaft dazu aufgerufen, etwas zu unternehmen. Doch wir sind vor allem auf taube Ohren gestoßen. Das hat Erdoğan den Weg eröffnet. Und Erdoğan setzt seine Politik zur Vernichtung der Einheit der Völker, ihrer Kulturen und ihrer Religionen fort.

Was machen Sie nun?

Wie alle Menschen aus Efrîn halten wir derzeit in Şehba stand. Wir werden weiterhin Widerstand leisten. Wir haben im Geflüchtetencamp Serdem ein ezidisches Zentrum eröffnet. Wir werden nicht aufhören Widerstand zu leisten, bis wir in Freiheit nach Efrîn zurückkehren können.