Von negierter Sprache zur Bildungssprache

Seit drei Jahren wird in den Schulen in Rojava Bildung in der Muttersprache vermittelt. Gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA haben sich zwei Mütter von Schulkindern zur Bedeutung muttersprachlichen Unterrichts geäußert.

Nach der Revolution in Rojava und dem damit einhergehenden Aufbau eines gemeinsamen demokratischen Lebens der verschiedenen Identitäten der Region haben die Bildungsräte 2015 damit begonnen, ein Konzept muttersprachlicher Bildung umzusetzen. Inzwischen gibt es kurdischsprachige Schulbücher von der ersten bis zur zwölften Klasse.

Bisher hat Kurdisch kaum die Möglichkeit gehabt, sich als Schriftsprache zu entwickeln. In jüngerer Zeit sind jedoch zuerst in Südkurdistan und dann in Rojava und Nordsyrien historische Entwicklungschancen für die kurdische Sprache entstanden. Der Kurmanci-Dialekt, der von der Mehrheit der kurdischen Bevölkerung genutzt wird, ist erstmalig systematisch zu einer Bildungssprache geworden.

Aufgrund der Kolonialpolitik der Nationalstaaten der Region, die Kurdistan unter sich aufgeteilt haben und eine Assimilations- und Repressionspolitik gegenüber den Kurden betreiben, wäre Kurdisch schon fast auf die Liste der toten Sprachen gekommen. In Rojava findet jedoch zurzeit eine Kehrtwende statt.

Die Bildung in kurdischer Sprache von der Grundschule bis zur Universität hat auch die Nutzung kurdischer Sprache als Alltagssprache positiv beeinflusst. Neben dem normalen Schulunterricht finden Sommerkurse in der Ferienzeit statt, um das Kurdische weiterzuentwickeln und alle in die Lage zu versetzen, Kurdisch lesen zu können.

Nach Angaben des Bildungskomitees von Kobanê haben dieses Jahr 52.622 Schüler*innen ihre Schule erfolgreich abgeschlossen. Das Bildungskomitee bietet mittlerweile auch Sommerkurse für Kurdischlehrer*innen an.

Zwei Mütter von Schulkindern drückten gegenüber ANHA ihre Zufriedenheit mit der Bildung ihrer Kinder in ihrer Muttersprache aus. Nehîda Mihemed Elî verweist darauf, dass das Baath-Regime den Menschen jahrelang die arabische Sprache und die arabische Kultur aufgezwungen hat: „Heute erhalten unsere Kinder Bildung in ihrer Muttersprache. Das macht uns und unsere Kinder glücklich.“ Fatma Hesen erklärt wiederum: „Das Baath-Regime hat in seinen Unterrichtsmaterialien andauernd seine Politik, seine Sprache und seine Kultur gepriesen, aber jetzt lernen die Kinder ihre eigene Sprache und Kultur und entwickeln sich.“