Die Türkei setzt in ihrem Krieg gegen die Selbstverwaltung auf alle möglichen völkerrechtswidrigen Mittel, um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren. Neben ständigem Artilleriebeschuss der Ortschaften entlang der Grenze zu den besetzten Gebieten hat der türkische Staat nun erneut die Wasserversorgung für die 1,2 Millionen Bewohner*innen der selbstverwalteten Stadt Hesekê unterbrochen. Dies ist möglich, da die Pumpstation Êlok im besetzten Gebiet bei Serêkaniyê liegt. Direkt nach der am 9. Oktober 2019 begonnenen Invasion gegen Serêkaniyê und Girê Spî hatte das AKP/MHP-Regime seine Milizen schon einmal angewiesen, die Wasserversorgung von Hesekê zu unterbrechen. Mit Unterstützung Russlands konnte damals eine Wiedereröffnung der Wasserleitungen durchgesetzt werden. Nun wird der Wasserzustrom nach Hesekê seit 25 Tagen immer weiter eingeschränkt und die Garantiemächte des Waffenstillstands – die USA und Russland – unternehmen gegen diese Blockade genauso wenig wie gegen die permanenten Artillerieangriffe und wiederholt stattfindenden Bodenoperationen der Türkei und ihrer SNA-Söldner.
Strom wird nicht für Wasserversorgung verwendet
Teil des unter Vermittlung von Russland ausgehandelten Abkommens war es, dass die Selbstverwaltung die Wasserstation von Êlok und von Serêkaniyê mit 20 Megaampere Strom versorgt. Als Gegenleistung würde Wasser zur Verfügung gestellt werden. Die Selbstverwaltung liefert über die Leitung bei Mabruka 15 Megaampere und über Dirbêsiyê 5 Megaampere Strom. Allerdings wird dieser Strom nicht mehr zum Betrieb des Wasserwerks, sondern für die Landwirtschaft und die Beleuchtung der Stadt verwendet.
Aufgrund der seit 25 Tagen ausbleibenden Versorgung macht sich Wassermangel breit. In Hesekê und Umgebung sind etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen. 100.000 von ihnen sind Schutzsuchende, die in den Flüchtlingslagern Hol, Erîşa und Waşokanî leben. Gerade in der Pandemie ist sauberes Wasser eines der wichtigsten Güter. Die Selbstverwaltung versucht, den Wassermangel mit Tanklastwagen auszugleichen.
Der Ko-Vorsitzende der Wasserverwaltung des Kantons Hesekê, Nidal Mehmûd, bezeichnete dieses Vorgehen des Erdoğan-Regimes als „Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung“. Er kritisierte scharf, dass die Garantiemächte nichts unternähmen, obwohl die Selbstverwaltung wie vereinbart den Strom für den Betrieb der Pumpwerke und für Serêkaniyê zur Verfügung stelle.
Rotes Kreuz, USA, Russland und UNICEF schweigen
Mehmûd berichtet, dass sich die Selbstverwaltung bereits hilfesuchend an die Garantiemächte Russland und die USA sowie an UNICEF und die Vereinten Nationen gewandt habe, bisher aber rein gar nichts passiert sei. Mehmûd kommentiert die Lage: „In den vergangenen Kriegsjahren wurde auch das Wasser von Städten wie Damaskus und Aleppo blockiert. Damals ergriffen die Vereinten Nationen und die internationalen Institutionen die Initiative und das Problem wurde gelöst. Nur wenn es um Nord- und Ostsyrien geht, dann passiert so etwas nicht. Das ist ganz klar eine politische Entscheidung.“
Das Wasserwerk von Êlok
Früher versorgte sich die Provinz Hesekê vor allem aus dem Wasser des Flusses Xabûr (Habur). Als der türkische Staat den Xabûr-Zufluss minimierte, wurden zwischen Serêkaniyê und Dirbêsiyê zwischen 2001 und 2002 etwa 30 Brunnen gebohrt und das Wasserwerk von Êlok eröffnet. Êlok befand sich nach der Revolution immer wieder im Visier von über die türkische Grenze kommenden Dschihadisten von Jabhat al-Nusra und anderen von der Türkei geförderten Milizen. Die Station konnte jedoch bis zur türkischen Invasion 2019 verteidigt werden. Nun liegt das Wasserwerk im Gebiet, das von der Türkei und ihren Milizen besetzt ist, und es wird völkerrechtswidrig immer wieder eingesetzt, um die Region zu destabilisieren. Im Jahr 2020 war die Wasserversorgung der Region bereits etliche Male unterbrochen worden. In diesen Fällen führten entsprechende Erklärungen von UNICEF und Menschenrechtsorganisationen dazu, dass die Türkei das Wasser wieder fließen lassen musste.
Bei einer Sperre im August wurde den Arbeitern im Pumpwerk erklärt, dass man auf „Befehl von Ankara“ das Wasser abstellen werde. Die Vereinten Nationen entschieden bei der Unterbrechung der Wasserversorgung von Damaskus im Jahr 2017 klar – es handelt sich um ein Kriegsverbrechen. Die aktuelle Blockade der Wasserversorgung von Hesekê stellt damit auch ein solches dar, für das die Regierung in Ankara zur Verantwortung gezogen werden müsste.