Der EU-Linksfraktionsvorsitzende Martin Schirdewan hat sich für eine Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und diplomatischen Beziehungen zu ihr ausgesprochen. „Das wäre glaubwürdige europäische Außenpolitik“, sagte Schirdewan am Dienstag in einer Debatte im Europäischen Parlament. Bei der Diskussion mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas wurden die jüngsten Entwicklungen in Syrien nach dem Sturz von Regimechef Baschar al-Assad durch die Islamistenmiliz HTS, ihre geopolitischen Auswirkungen und die humanitäre Lage in der Region bewertet.
„Die Zeiten, in denen die EU im Nahen Osten eine politische Rolle spielte, sind längst vorbei und auch heute ist wieder eine unerträgliche Doppelmoral zum Vorschein gekommen“, sagte Schirdewan. Das Schweigen der Kommission gegenüber dem seit Jahren anhaltenden „völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei gegen Kurdistan“ sei ohrenbetäubend, sagte der Ko-Vorsitzende der Linken im EU-Parlament. Schirdewan kritisierte damit die weitgehende Nichtbeachtung der Realität von Kurd:innen durch die europäischen Staaten und die Ignoranz gegenüber den Angriffen der Türkei auf sie.
Kritik äußerte Schirdewan an der EU daher auch im Hinblick auf ihren Umgang mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, dessen Dschihadistentruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) von der Türkei besetzte Gebiete in Nordsyrien kontrolliert und sich durch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auszeichnet. „Diktator Erdoğan, der ungeniert von seinem großosmanischen Reich träumt, arbeitet mit islamistischen Milizen zusammen, die Frauen und Kinder versklaven und in ihrem Vernichtungswunsch gegenüber Kurden und Jesiden in nichts dem IS nachstehen“, sagte er.
„Türkei muss den Krieg gegen Kurdistan einstellen"
Mit Blick auf die Reihen des Plenarsaals ergänzte Schirdewan: „Und so oft, wie man Sie in den letzten Jahren ‚Slava Ukraini‘ hat hören sagen, so oft habe ich mir gewünscht, Sie hätten nur einmal Bijî Rojava gesagt. Die Kurden haben den IS besiegt. Ihnen sollte unsere Dankbarkeit gehören. Die Türkei muss ihren Krieg gegen Kurdistan sofort einstellen.“
Und auch wenn der Sturz Assads Anlass zur Freude sei, „die Zukunft Syriens ist offen“, so Schirdewan. HTS-Anführer Mohammed al-Dscholani, der neuerdings mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Sharaa auftritt, sei „ein mit zehn Millionen Dollar Kopfgeld gesuchter Islamist und seine Miliz wird als Terrororganisation von der UNO gelistet“.