Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat 22 IS-Frauen und Kinder an Kirgisistan übergeben. In der Gruppe befanden sich den Angaben zufolge sieben Frauen mit kirgisischer Staatsbürgerschaft und insgesamt 15 Kinder und Jugendliche. Für ihre Rückführung reiste eine vom Außenministerium in Bischkek entsandte Delegation nach Qamişlo und unterzeichnete ein offizielles Übergabeprotokoll mit der DAANES. Der Schritt erfolgte bereits am Donnerstag, wie das Außenressort der Autonomieverwaltung mitteilte.
Empfangen wurde die Delegation aus Kirgisistan, die vom kirgisischen Diplomaten Bakit Kadyrow geleitet wurde, von den Ko-Vorsitzenden der DAANES-Abteilung für auswärtige Angelegenheiten, Fanar al-Kaeet und Gulîstan Elî sowie Xalid Îbrahîm vom Exekutivrat der Selbstverwaltung. Bei einem Gespräch bewerteten beide Seiden die sicherheitspolitische und humanitäre Lage Nord- und Ostsyriens. Al-Kaeet sprach die Diskussion um eine Wiederannäherung zwischen den türkischen und syrischen Machthabern Recep Tayyip Erdoğan und Baschar al-Assad an und sagte, die DAANES lehne eine Versöhnung zwischen Ankara und Damaskus „entschieden“ ab.
„Die Syrien-Krise erfordert eine umfassende politische und demokratische Lösung im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates, damit der Krieg beendet und der Wiederaufbau überall im Land beginnen kann“, sagte al-Kaeet. Diese Lösung müsse neben einer sicheren und würdigen Rückkehr aller Vertriebenen in erster Linie auch den Rückzug aller Besatzer und nicht-syrischer Truppen aus dem Land und die Freilassung der politischen Gefangenen beinhalten, betonte er und wies auf die fortgesetzten Besatzungsangriffe und Kriegshandlungen der Türkei in Syrien hin, die sich negativ auf die Bemühungen im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) auswirkten. „Der IS nutzt die türkische Militärgewalt gegen die DAANES aus, um sich neu aufzustellen“, betonte al-Kaeet.
Kirgisische Delegation beim Außenressort der DAANES (c) Kar Dervê
Gulîstan Elî begrüßte die Initiativen Kirgisistans, IS-Anhängerinnen und ihrer Kinder aus Nord- und Ostsyrien zurückzuholen. Sie unterstrich die Notwendigkeit tragfähiger Lösungen für die seit der Zerschlagung des IS-Kalifats im Frühjahr 2019 in Lagern und Gefängnissen internierten Mitglieder der Dschihadistenmiliz und ihrer Familienangehörigen. Besonders im Hinblick auf Camp Hol, das gegenwärtig noch rund 43.000 Personen beherbergt, darunter mehr als 7.000 ausländische IS-Frauen und Kinder aus über Dutzenden verschiedenen Ländern, bedürfe es nach wie vor einer dringenden und vor allem internationalen Lösung. Das Lager in der Nähe von Hesekê gilt als Zentrum der Reorganisierung des IS-Terrornetzwerks und wird als tickende Zeitbombe bezeichnet, da dort eine neue Generation an Dschihadisten heranwächst.
Dritthäufigsten Rückführungen aus DAANES nach Kirgisistan
Der kirgisische Regierungsvertreter Bakit Kadyrow bekräftigte die Forderung Nord- und Ostsyriens nach einer gemeinsamen Lösung des IS-Problems. Ausdrücklich dankte er der Autonomieverwaltung und den Demokratischen Kräften Syriens (QSD), die trotz widriger Umstände bedingt durch fortgesetzte Angriffe auf ihre Regionen die Rückholung ermöglichten. Darüber hinaus kündigte er weitere Missionen für die Repatriierung kirgisischer Staatsangehöriger aus Nord- und Ostsyrien an. Obwohl Kirgisistan die Rückführungen von IS-Anhängerinnen und deren Kindern erst 2023 startete, ist es das Land mit den dritthäufigsten solcher Aktionen. Bisher holte die zentralasiatische Republik in sechs Missionen 453 Frauen und Kinder wieder zurück. Die ersten beiden Plätze auf der Liste der Rückführungen aus der DAANES belegen Kasachstan (715) und Russland (513). Deutschland hat bisher nur gut hundert Bürgerinnen und Bürger aus Rojava zurückgeholt.
Titelbild: Anti-IS-Operation in Camp Hol, Februar 2024 (c) QSD