Istanbuler Jurist:innen verurteilen „Feindstrafrecht“

In Istanbul haben Anwaltsvereinigungen gegen die drakonischen Urteile im „Kobanê-Verfahren“ protestiert: Die Verurteilung des ehemaligen HDP-Vorstands sei eine politische Entscheidung im Feindstrafrecht gegen die kurdische Demokratiebewegung.

Protest gegen Urteile im „Kobanê-Prozess“

Vor dem Justizpalast im Istanbuler Stadtteil Çağlayan haben Anwältinnen und Anwälte gegen die Urteile im Kobanê-Prozess protestiert. „Kobanê ist nicht gefallen und wird nicht fallen“, riefen die Mitglieder verschiedener Anwaltsorganisationen, darunter die Vereinigungen „Jurist:innen für Freiheit“ (ÖHD) und „Zeitgenössische Jurist:innen“ sowie die Rechtsstiftung TOHAV. Auf Kurdisch wurde Solidarität mit dem Widerstand von 2014 gegen den IS-Angriff auf Kobanê („Bijî berxwedana Kobanê!") und den politischen Gefangenen („Bijî berxwedana zindanan”) demonstriert, eine weitere gerufene Parole war „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.


Ruken Kalin vom Istanbuler ÖHD-Vorstand erklärte vor dem Justizpalast, dass das gesamte Verfahren von ungesetzlichen Handlungen geprägt war und die verurteilten Politikerinnen und Politiker der HDP für Gleichheit, Freiheit, Frieden und Demokratie eingetreten seien. „Das Kobanê-Verfahren wurde von der AKP/MHP-Regierung eingeleitet, um die legitimen und demokratischen Forderungen des kurdischen Volkes zu unterdrücken. Die Urteile sind das Ergebnis einer politischen Entscheidung. Die Regierung will damit ihr monistisches Regime untermauern“, so die Rechtsanwältin: „Wir werden weiterhin die Freiheit und das Licht gegen die IS-Barbarei und die Finsternis verteidigen. Die im Sinne des Feindstrafrechts gesprochenen Urteile erkennen wir nicht an, wir akzeptieren diese Vernichtungspolitik nicht.“

Hohe Haftstrafen gegen Oppositionelle

Am Donnerstag sind 24 der insgesamt 108 Angeklagten in dem als „Kobanê-Verfahren“ bekannten Schauprozess im Zusammenhang mit Protesten während des IS-Angriffs auf die kurdische Stadt Kobanê im Oktober 2014 zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Mit der höchsten Strafe wurde der seit 2016 inhaftierte und frühere Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtaş belegt. Er bekam 42 Jahre Freiheitsstrafe. Die ehemalige Ko-Vorsitzende Figen Yüksekdağ erhielt mehr als 30 Jahre Haft. Zwölf Beschuldigte wurden freigesprochen, das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten geht abgetrennt weiter.