IS und al-Nusra bestimmen türkisches Vorgehen im Efrîn-Krieg

In Cerablus und in der Türkei inhaftierte Mitglieder von al-Nusra und dem IS wurden in FSA-Uniformen gesteckt und an die die Fronten von Efrîn geschickt.

Im Moment finden in Efrîn Kämpfe an drei Fronten statt. Es ist der 34. Tag des Invasionsversuchs der türkischen Armee. Ich hatte die Gelegenheit die Bezirke Raco, Bilbilê, Meydanke, Şera und Cindirês zu besuchen und einige Dörfer um Efrîn anzuschauen. Ich wurde zum Zeugen des Widerstandes der YPG- und YPJ-Kämpfer*innen direkt im Kampfgebiet.

Während ich immer wieder beobachtete, wie die Menschen von Efrîn sich, sowohl in den städtischen Zentren, als auch in den ländlichen Gebieten, mit der widerständigen Jugend zusammenschlossen, entstand in mir eine große Neugier auf die psychologische Verfassung der Invasionskräfte und der Milizen, die sie begleiteten, die ja darauf abzielen, die Menschen in Efrîn zu töten. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen sie Flugzeuge, Panzer, Artillerie und andere schwere Waffen ein. Dem Bild der türkischen Medien, welche die Verabschiedung der Soldaten, die an der Front eingesetzt werden, groß zelebriert hatten, und versuchten die „freundliche“ Seite vom Militarismus und der Invasion darzustellen, entspricht die Lage der Soldaten an den Fronten offensichtlich nicht.

Es gibt Berichte, dass türkische Soldaten in Koordination mit und unter dem Kommando von al-Nusra und IS-Emiren bei der Operation in Efrîn agieren. Ich fragte sowohl Kämpfer*innen der YPG und YPJ an der Front und weitere meiner Quellen, die die Situation genau beobachten, ob diese Berichte zuträfen. Die Recherche erbrachte deutliche und interessante Resultate. Die türkische Armee hatte ihre Invasionsoperation am 20. Januar mit Gruppen, die sie als die Freie Syrische Armee bezeichneten, begonnen. Aber als diese als „FSA“ bezeichneten Gruppen schon in der ersten Woche Hunderte Kämpfer verloren hatten, wurden anstelle der aufgelösten FSA nun Kämpfer von al-Nusra aus Idlib und inhaftierte IS-Mitglieder aus Cerablus und der Türkei in FSA-Uniformen gesteckt und an die Fronten von Efrîn geschickt. Insbesondere IS-Mitglieder aus Turkstaaten wurden nach Efrîn gebracht. Diese Gruppen erklärten, sie würden für den türkischen Staat agieren, aber sie hätten die Autorität und das Kommando auf dem Schlachtfeld. Da die türkischen Truppen einen psychischen Schock erlitten hatten, als sie daran gescheitert waren, mit ihrer Invasion vorzurücken und sie in kurzer Zeit schwere Verluste erlitten hatten, stellte die türkische Armee ihre „Mehmets“ unter das Kommando von IS- und Al-Nusra-Emiren.

Als ich meine Quellen, welche die Region gut kennen und den Krieg aus nächster Nähe beobachten immer wieder danach Frage, bekomme ich als Antwort: „Warum überrascht Sie das, warum meinen Sie denn hat das türkische Militär Beobachtungsposten in Idlib eingerichtet? Idlib wird von al-Nusra beherrscht. Russland, das Regime, al-Nusra und andere salafistische Organisationen kämpfen dort. Für die Sicherheit des türkischen Militärkonvois nach Idlib sorgt al-Nusra. Und auch die türkischen Soldaten an den Beobachtungspunkten stehen unter dem Schutz von al-Nusra.“

Bevor ich fragen kann, für wen die Türkei dort garantiert, spricht meine Quelle weiter: „Die Beziehung zwischen der Türkei und al-Nusra ist von gegenseitigem Nutzen. Der türkische Staat marschierte in Idlib ein um Einfluss in Syrien zu erhalten und um al-Nusra auf der internationalen Ebene zu verkaufen sowie dem syrischen Regime und Russland eine Sicherheit zu geben. Al-Nusra stimmte zu, um ihre Stärke im Feld beizubehalten und ökonomische, politische, militärische und diplomatische Gewinne von der Türkei zu erhalten.“

Jetzt hat die türkische Armee Ärger in Efrîn und sie baten sowohl al-Nusra, aber insbesondere auch IS-Emire, die sich offensichtlich unter Arrest in Cerablus und Azaz befunden hatten, um Hilfe. Und al-Nusra und die IS-Emire brachten die türkische Armee dazu, zu akzeptieren, dass sie in Efrîn das Kommando im Feld haben und sie ihr eigenes System in den von ihnen eroberten Gebieten aufbauen werden.

Im Moment reicht die Befehlskette des Invasionsversuchs zumindest auf dem Papier vom Oberkommandierenden Tayyip Erdoğan, zum Generalstabschef Hulusi Akar zum Kommandanten der 2. Armee, General Ismail Temel. Die Realität sieht aber anders aus. Die türkischen „Mehmets“ stehen unter dem Kommando von Bandenführern. Tayyip Erdoğan, Hulusi Akar und Ismail Temel sind nichts weiter als die Helfer für den Kalifen des Netzwerks der IS-Banden Abu Bakr Al Baghdadi.

Einige kemalistische und säkulare Offiziere, die diese Entwicklung beobachten, fühlen sich von dieser Entwicklung verstört und haben den CHP-Führer Kemal Kılıçdaroğlu informiert, da sie öffentlich keine Stellung dazu beziehen konnten. Und Kılıçdaroğlu versucht die Öffentlichkeit darüber zu informieren, indem er sagt: „Wir unterstützen die Efrîn-Operation, aber sie sollte sich nicht in die Länge ziehen. Es sollten Gespräche mit dem syrischen Regime stattfinden und das Problem geklärt werden.“ Allerdings ohne irgendwelche Folgen. Die türkische Armee steckt nicht nur im Sumpf von Efrîn, sie ist außerdem in das Netz der Banden gefallen. Der Weg da heraus wird schwer …