Die Bedeutung von Gerechtigkeit und Recht hat in Rojava/Nordsyrien eine etwas andere Bedeutung. Die Gesellschaft wurde vom Regime unterdrückt und vernachlässigt, zudem musste die Stadt sowohl unter dem Assad-Regime als auch unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staates (IS) schwere Zeiten durchleben. Mit der Befreiung der Region im Oktober 2017 durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) begann auch die Phase des Neuaufbaus der Stadt. In der Bevölkerung wurden Räte, Kommunen und Dienstleistungsstrukturen organisiert, um eine neue Form von gesellschaftlicher Gerechtigkeit zu schaffen, die auf Ausgleich basiert.
Im Zuge dessen wurden in allen Regionen Nordsyriens Friedenskomitees und Kommissionen für gesellschaftliche Gerechtigkeit aufgebaut, um juristische und soziale Probleme zu lösen. Auch in Raqqa arbeitet ein Friedenskomitee, das an den Zivilrat gebunden ist daran, bei der Bevölkerung das Verständnis der gesellschaftlichen Gerechtigkeit zu festigen. Die aus mehreren Räten bestehende Kommission führt Ermittlungen durch und bearbeitet Anzeigen. Außerdem existiert ein an die Kommission angebundenes Versöhnungskomitee.
In den letzten sechs Monaten hat das Friedenskomitee der Stadt 800 Fälle aufgenommen, von denen bereits 500 gelöst wurden. An 300 Fällen wird weiterhin gearbeitet, um Konflikte zu verhindern oder diese zu deeskalieren. Schwierige Fälle, die vom Friedenskomitee nicht gelöst werden können, werden erst dann vor einem Gericht verhandelt.
Mustafa Ismail aus dem Vorstand des Friedenskomitees berichtet über die Arbeit: „Zur Verteidigung der Rechte benötigen wir zunächst die Zustimmung beider Parteien. Bei der Lösung der Fälle berücksichtigen wir dann selbstverständlich die gesellschaftliche Werte, Regeln und Normen. Andererseits dürfen wir die Rolle der Meinungsführer und Scheichs bei der Problemlösung nicht vergessen. Insbesondere ihr Einfluss bei der Überwindung von jahrelangen Blutfehden ist hoch“.