Efrîn: Kein Leben unter der Besatzung möglich

A.X. aus Efrîn ist in seine Heimat gefahren, um zu prüfen, ob eine Rückkehr dorthin möglich ist. Sein Fazit fällt negativ aus, die Stadt ist ihm fremd geworden.

Vor über sechs Monaten hat die türkische Militärinvasion in Efrîn begonnen. Mit Unterstützung dschihadistischer Milizen wurde der nordsyrische Kanton besetzt. Die Besatzungstruppen morden, rauben und plündern, die demografische Struktur wird systematisch verändert. Hunderttausende Menschen haben den Kanton im März Richtung Şehba und Şêrawa verlassen. Einige von ihnen sind später nach Efrîn zurückgekehrt, um nach ihren Häusern und Dörfern zu sehen. Sie berichten von der unmenschlichen Vorgehensweise der Besatzungstruppen.

Auch A.X. ist in sein Dorf gefahren, um sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation zu machen. Von seinen Erlebnissen berichtet er nach seiner Rückkehr nach Şehba:

„Es gibt dort nichts mehr, was uns gehört. Die Kurden existieren dort nur noch physisch, aber alles Kurdische ist weg. Wenn ein Mensch sein Dorf, sein Land, sein Leben und sein Eigentum nicht schützen kann, dann existiert dieser Mensch nicht mehr. Ein Mensch kann für seine Heimat, seine Familie und seine Ehre sterben. In Efrîn gibt es nicht mehr die Möglichkeit, sich dafür einzusetzen. Deshalb habe ich mir gesagt, dass ich dort weg muss, auch wenn ich mein Haus und meine Olivenbäume verliere.“

Fortgesetzte Plünderung

„Die Dörfer gehören jetzt der jeweiligen Miliz, die dort als erstes einmarschiert ist. Sie plündern alles, was sie finden können. Auch in meinem Dorf und meinem Haus ist es so gewesen. Die Besatzer betrachten alle kurdischen jungen Männer als Gefahr. Daher finden sie bei allen einen Anlass, um sie zu verschleppen und zu foltern. All das geschieht im Auftrag des türkischen Staates. Menschen werden entführt und für ihre Freilassung wird Lösegeld verlangt. Die Angehörigen müssen dieses Geld irgendwie auftreiben. Gelingt es ihnen nicht, verschwindet das Entführungsopfer einfach.“

Eine fremde Stadt

„In Efrîn fühlt man sich wie an einem fremden Ort. Die ganze Stadt ist zu einem fremden Ort geworden. Kurden sind wie Fremde dort. In der Stadt und den umliegenden Dörfern gibt es keine leerstehenden Wohnungen mehr. Alle 306 Dörfer sind voll mit Menschen, die aus Ghouta, Humus und sogar aus Dêra Zor gekommen sind. Sie ziehen einfach in die Häuser und betrachten sie als ihr Eigentum. Wollen die eigentlichen Bewohner in ihr Dorf fahren, werden sie mit Waffen bedroht.

Selbst wenn man alle Reichtümer der Welt besitzt, hat es keinen Wert, unter der dortigen Unterdrückung zu leben. Meine Kinder und ich haben insgesamt drei Häuser verloren. Mir wurden 10.000 Dollar weggenommen. Mein Auto ist weg. Meine Frau hatte Goldschmuck, auch den mussten wir abgeben. Meine Kinder haben außerhalb Efrîns gearbeitet, ihre jahrelangen Ersparnisse sind weg. Wir haben alles zurücklassen müssen. Unter der Besatzung ist kein Leben möglich. Die Besatzer haben überhaupt keine Grundsätze, für sie gibt es nur Plünderung, Raub und Diebstahl. Ich habe mein gesamtes Eigentum verloren, aber das ist nicht wichtig. Solange die Besatzer da sind, gibt es sowieso nichts mehr, was uns gehört.“