Die Türkei fordert die Menschlichkeit heraus

Die türkische Armee, die ihre konventionellen Streitkräfte mit schwerem Kriegsgerät mobilisiert hat, um den nordsyrischen Kanton Efrîn zu besetzen, verübt Massaker an der eingekesselten Zivilbevölkerung.

Die mit konventionellem Kriegsgerät und dschihadistischen al-Qaida/IS-Milizen ausgestatteten Streitkräfte des von der AKP-MHP-Koalition unter Federführung des Diktators Erdoğan regiertem türkischen Staat begangen am Abend erneut, Zentral-Efrîn zu bombardieren. Durch die Luft-und Bodenangriffe sind unzählige Zivilist*innen, darunter mehrere Kinder, getötet und verletzt worden.

Die auf Kurdenfeindlichkeit basierende fundamentalistisch-rassistische Regierung des türkischen Staates mobilisiert all ihre Macht, um den nordsyrischen Kanton Efrîn zu besetzen, das dort fußgefasste basisdemokratische Modell der Selbstverwaltung zu erwürgen, um in ganz Kurdistan eine koloniale Herrschaft zu festigen. Trotz des Einsatzes modernster Waffentechnologie ist es den konventionellen Streitkräften der Türkei nicht gelungen, den seit 55 Tagen anhaltenden Widerstand der Bevölkerung und ihren Kämpfer*innen im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf fremdem Territorium zu brechen.

Die Luft-und Bodenangriffe der türkischen Armee, die gezielt zivile Siedlungsgebiete zerstört und Massaker an der Bevölkerung verübt, halten unvermindert an. Die eingekesselte Stadt Efrîn wird seit zwei Tagen fast ununterbrochen bombardiert.

Bevölkerungsdichte in Zentral-Efrîn

Mit Beginn der invasiven Angriffe der türkischen Armee sind unzählige Bewohner*innen der einzelnen Bezirke und Dörfer nach Zentral-Efrîn geflohen. Dies hatte zur Folge, dass die Zahl der Zivilist*innen in der Stadt rasant angestiegen ist. In der Hoffnung, die Bevölkerung zur Flucht zu zwingen, wurden Staudämme, Wasseraufbereitungsanlagen und Bäckereien bombardiert und zerstört. Da sich die Bevölkerung den Angriffen zum Trotz nicht aus ihrer Heimat vertreiben lässt, schlägt in Zentral-Efrîn verstärkt schwere Artillerie ein.

Stadtzentrum wird bombardiert

Seit 16.00 Uhr des gestrigen Tages schlagen in Zentral-Efrîn Granaten und Mörser der türkischen Besatzungsarmee ein. Die Luftangriffe der Kampfjets begangen ab 16:30 Uhr. Währenddessen schlug türkische Artillerie ununterbrochen gezielt in zivilen Siedlungsgebieten ein. Bei den ersten Angriffen sind fünf Zivilist*innen, darunter zwei Kinder, ums Leben gekommen. Weitere 12 Menschen wurden verletzt. Neun der Verletzten, von denen zwei Kinder sind, gehören zu einer Familie.

Permanenter Beschuss

Laut Angaben der Nachrichtenagentur ANHA sind durch den ständigen Artilleriebeschuss zwei weitere Kinder, Kajin Ali (7) und Mihemed Qisle (6) ums Leben gekommen. Somit lag um 22.00 Uhr die Anzahl der getöteten Zivilist*innen bei sieben.

Auch Stadtrand bombardiert

Außer Zentral-Efrîn bombardiert die türkische Armee auch die Außenbezirke und Gebiete, in denen Gefechte stattfinden. Bei einem Granateneinschlag in dem Dorf Tirindê im Stadtzentrum wurden fünf Kinder verletzt. Robin Memo (5), Rolyane Memo (11), Mihemed Ebdo Memo (9), Rozi Memo (6) und Neçirvan Memo (13) sind um 22:30 Uhr ins Avrîn-Krankenhaus eingeliefert worden.

Gefechte halten an fünf Fronten an

An den Fronten Bilbilê, Şiyê, Şêrawa, Şêra und Mabeta finden heftige Gefechte zwischen QSD-Einheiten und türkischen Angreifern statt. Bei den Auseinandersetzungen wurden seit gestern Mittag mindestens 81 Soldaten und Dschihadisten der türkischen Armee getötet. Sechs Militärfahrzeuge sind zerstört worden.

Das Pressezentrum der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) hat am Mittwoch die Identitäten von 14 QSD-Kämpfer*innen und 28 Mitgliedern der Asayîş-Sicherheitskräfte veröffentlicht, die im Widerstand von Efrîn gefallen sind. 32 weitere Widerstandskämpfer*innen sind gestern mit einer militärischen Zeremonie beigesetzt worden.

MSD-Aufruf

Der Demokratische Rat Syriens (MSD) hat nach der Einkesselung der Stadt erneut einen Aufruf an die Öffentlichkeit gerichtet. Darin heißt es: „Wir fordern die internationale Gemeinschaft und internationale Menschenrechtsorganisationen auf, angesichts der anhaltenden Angriffe und Massaker an der Zivilbevölkerung ihr Schweigen endlich zu brechen. Die Weltgemeinschaft muss ihre Verantwortung erfüllen. Die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene Waffenruhe über ganz Syrien wird nicht umgesetzt. Den Preis dafür zahlen die Völker von Efrîn und Ost-Ghouta. Wir rufen den UN-Sicherheitsrat auf, seine eigenen Beschlüsse zu achten und fordern, dass schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, damit die Waffenruhe in Syrien umgesetzt wird.“

Kurd*innen und Freund*innen für Efrîn auf den Straßen

Das kurdische Volk und seine Freund*innen, die seit 55 Tagen ununterbrochen gegen die invasiven Angriffe des türkischen Staates auf Efrîn überall demonstrieren, haben auch gestern wieder in zahlreichen europäischen Städten Protestaktionen durchgeführt.

Erklärung der TEV-DEM

Die nordsyrische Bewegung für eine demokratische Gesellschaft (TEV-DEM) hat am Abend in einer schriftlichen Erklärung dazu aufgerufen, die Solidarität für den Widerstand von Efrîn zu stärken. Es wurde betont, dass die türkischen Besatzer unter Anwendung von konventionellem Kampfgerät genozidale Angriffe an der Zivilbevölkerung verüben und gegen internationales Recht verstoßen. In der Erklärung heißt es weiter: „Im 21. Jahrhundert beabsichtigt Erdoğan, die Politik eines Völkermordes anzuwenden, in dem er einem ganzen Volk die Umsiedlung aufzwingt, um die demographische Struktur der Region seinen Wünschen anzupassen.

Mit der Strategie des Völkermords setzt sich der türkische Besatzungsstaat zum Ziel, die demographische Struktur Efrîns von Grund auf zu verändern und siedelt gezielt Angehörige von IS/al-Nusra-Milizen und Flüchtlinge aus anderen Regionen in kurdischen Dörfern an.“ Der TEV-DEM-Ko-Vorsitz weist darauf hin, dass die westliche Welt sich den Erpressungen des türkischen Staates gebeugt habe. Abschließend heißt es in der Erklärung: „Wir rufen unsere Bevölkerung in allen vier Teilen Kurdistans auf, nicht von den Straßen zu weichen und ihre Protestaktionen zu stärken. Von der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und internationalen Menschenrechtsorganisationen fordern wird, ihre Pflichten zu erfüllen und eine klare Haltung gegenüber der Verfolgung und Unterdrückung unseres Volkes anzunehmen.“